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Mittwoch
26.10.2011

Von den Parteipräsidenten ist man es gewohnt, dass sie Sitzverluste als Erfolge schönreden. Am Dienstag hat sich nun auch die SRG in die Reihe der selbsternannten Wahlsieger eingereiht. Im Gegensatz zu den meisten Schweizerinnen und Schweizern - die Einschaltquoten waren durchwegs tief - fand der Publikumsrat der SRG Deutschschweiz nur lobende Worte für den SRF-Schwerpunkt «Treffpunkt Bundesplatz». «Mit engagiertem und publikumsnahem Service public auf allen Kanälen ist es dem SRF gelungen, der Bevölkerung die Wahlen 2011 nahezubringen», teilte der Publikumsrat am Dienstag mit.

Mit dem trimedialen Projekt habe SRF die Wahlen 2011 zu einem «greifbaren Erlebnis» gemacht, findet der Publkumsrat. Dabei sei besonders positiv aufgefallen, «dass die Beiträge auf den jeweiligen Sendern und in den entsprechenden Sendeformaten dem Zielpublikum angepasst aufbereitet und durch unterhaltende Elemente ergänzt worden sei», frohlockte der Publikumsrat.

Doch damit nicht genug: Auch das «vielfältige, sachliche und auch regional ausgerichtete» Onlineangebot hat den Publikumsrat zu einer Lobeshymne verleitet: «Durchwegs zu überzeugen vermochten die reichhaltigen sowie vielfältigen Themen und Positionen, welche auf den SRF-Onlineplattformen angeboten wurden.» Mit diesem Angebot habe SRF den wohl umfassendsten Wahlservice geboten. Die journalistische Qualität von SRF habe im Onlinebereich durchwegs überzeugt. Auch die regionale Gewichtung habe man geschätzt.

Immerhin schlug der Publikumsrat zum Onlineangebot noch einige kritischere Töne an: «Für weniger politikaffine Nutzer und Nutzerinnen sei das Angebot ziemlich überfrachtet gewesen. Insbesondere der Wunsch nach einer leicht verständlichen, detaillierten Wahlanleitung wurde mehrfach geäussert», hielt das Selbstkontrollorgan der SRG fest. Kritisch hinterfragt wurde zudem, dass zwei unterschiedliche Plattformen für SF und DRS existierten. Die Anzahl der Beiträge und Berichte aus der Westschweiz und dem Tessin wurde schliesslich als knapp beurteilt.

Bleibt die Frage, wie erfolgreich das SRF am Wahltag sowie am Montag in der Nachberichterstattung abgeschnitten hat. Angesichts von schweizweit 49,1 Prozent Wahlbeteiligung findet der Klein Report, dass die nachmittägliche Wahlberichterstattung mit Marktanteilen zwischen 18,3 Prozent (Tiefstwert um 13 Uhr) und 33,5 Prozent (Höchstwert 14 Uhr) nur bedingt als Erfolg gewertet werden kann. Am Abend wurden die SF-Wahlberichterstatter regelrecht mit der Fernbedienung abgewählt: Schalteten zur «Tagesschau» um 19.30 Uhr noch 1,039 Millionen Zuschauer (54,3 Prozent Marktanteil) auf SF 1 ein, sahen ab 20.15 Uhr gerade noch 383 000 Zuschauer (18,7 Prozent) die Fortsetzung des SF-Wahlstudios.

Auch die Entscheidung, am Montagabend um 20.55 Uhr sowie um 22.20 Uhr im Wahlstudio weiterzudiskutieren, hat dem SRF wenig Erfolg eingebracht. Zu den beiden Nachwahldebatten schalteten 283 000 (16,9 Prozent) beziehungsweise 191 000 Zuschauer (19,6 Prozent) ein.

Doch auch einige Parteipräsidenten liessen die SRF-Wahlberichterstatter links liegen. So fehlte um 19 Uhr im Wahlstudio bei der Analyse der ersten Hochrechnung der Wahlsieger schlechthin, GLP-Präsident Martin Bäumle. Der Zürcher Politiker nehme gerade einen anderen Termin wahr, erklärte das SRF-Team den verdutzten Zuschauern die Tatsache, dass ausgerechnet der GLP-Platz leer geblieben war. Zuschauer mit Spürsinn machten Bäumle schnell ausfindig: Er diskutierte lieber in Markus Gillis «SonnTalk» auf TeleZüri.

Während der eigentlichen Elefantenrunde um 21 Uhr liess sich dann CVP-Präsident Christophe Darbellay vertreten, da er schon ins Wallis abgereist sei. Sein Pech - oder vielmehr das Pech des Schweizer Radios und Fernsehens - war, dass die SRF-Wahlberichterstatter im Vorfeld darauf beharrt hatten, das Wahlstudio anders als 2007 in Zürich statt in Bern einzurichten.

Bis spät am Abend leistete dagegen FDP-Präsident Fulvio Pelli dem Leutschenbach-Team Gesellschaft. Dies notgedrungen, hatten doch die SRF-Analysten bereits am frühen Nachmittag Pellis Abwahl im Tessin vermeldet - mit Berufung aufs Tessiner Fernsehen. Einige SRF-Mitarbeiter, unter anderem der Thurgauer Aussenkorrespondent, stellten die Pelli-Prognose in Interviews mit FDP-Politikern als Tatsache dar. Komisch nur: Im RTSI-Studio hiess es zur gleichen Zeit, in Zürich habe man Pellis Abwahl errechnet, man wolle aber erst die weitere Auszählung abwarten. In der Tat wurde Fulvio Pelli schlussendlich mit 58 Stimmen Vorsprung auf einen parteiinternen Konkurrenten wiedergewählt. Auch Pelli liess sich übrigens am Montagabend für die restlichen Wahldebatten im Zürcher Studio vertreten.

Unglücklich agierte das Schweizer Fernsehen schliesslich auch bei den Hochrechnungen. Bei der 21.00-Uhr-Hochrechnung herrschte so grosse Verwirrung im Studio betreffend der Wähleranteile, dass die Elefantenrunde kurzerhand unterbrochen werden musste, um in der Zwischenzeit korrigierte Prozentzahlen zu vermelden. Damit nicht genug: Diese zweite Hochrechnung erwies sich ebenso als fehlerhaft wie diejenige, die spätabends verkündet wurde. «In der Hitze des Gefechts ist uns ein Fehler passiert, den wir gerade wegen unserer minuziösen Vorbereitung nicht für möglich gehalten hätten», erklärte am Dienstag Rolf Nef, wissenschaftlicher Leiter der für die SRG-Hochrechnungen zuständigen Arbeitsgemeinschaft Projections 2011. Sie hat konkret Endergebnisse aus einem Kanton falsch zugeordnet.

Dennoch gelang es dem Schweizer Radio und Fernsehen, selbst die fehlerhaften Hochrechnungen als Erfolg schönzureden: «Die am Wahlsonntag um 19.00 Uhr publizierte erste Hochrechnung über die Wähleranteile im  Nationalrat war so präzis wie nie zuvor: Die Abweichungen gegenüber den am Dienstag vom Bundesamt für Statistik publizierten Endergebnissen beträgt höchstens 0,2 Promille», teilte die SRG am Dienstag in einer Medienmitteilung mit, die sich in ihrem unbekümmerten Optimismus wie ein Bewerbungsschreiben für die Übernahme eines Parteipräsidiums las. «Damit konnte die  Öffentlichkeit mit erheblichem Vorsprung auf die amtliche Bestätigung den Ausgang der Wahlen erfahren und - wie sich zeigte - mit höchster Genauigkeit», so die SRG weiter. Womit tatsächlich diejenigen Fernsehzuschauer recht behielten, die sich nach der «Tagesschau» von der SRF-Wahlberichterstattung verabschiedet hatten.

SRF-Sendungen im Vorfeld zu den Wahlen