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Sonntag
27.09.2009

Wegen «eines Begehrens der US-Behörden im Zusammenhang mit einem Haftbefehl aus dem Jahr 1978» ist Roman Polanski bei der Einreise in die Schweiz am Samstag auf dem Flughafen Kloten in Polizeigewahrsam genommen worden.

Die Verleihung des Preises für sein Lebenswerk sei deshalb auf unbestimmte Zeit verschoben, teilte das Zürich Film Festival mit. Auf Einladung des Filmfestivals ist der Regisseur überhaupt in die Schweiz gekommen.

Die US-Behörden fahnden seit 2005 weltweit nach dem französisch-polnischen Filmemacher. Die Vorwürfe handeln von Sex mit einer 13-Jährigen, die Polanski 1978 in einem Haus von Jack Nicholson unter Beihilfe von Alkohol verführt haben soll; je nach Variante wird von Vergewaltigung gesprochen. Der Filmemache hatte sich damals schuldig bekannt; kurz vor der Urteilsverkündung floh er aber nach Frankreich.

Roman Polanskis Anwalt kündigte in der Zwischenzeit an, alle Rechtsmittel auszuschöpfen und Polens Botschaft in Bern bot Polanski Konsularhilfe an.

Als «Justizposse» und «ungeheueren Kulturskandal» bezeichnete am Sonntag der Schweizer Verband Filmregie und Drehbuch (ARF/FDS) die Verhaftung von Polanski. Es sei nicht nur ein juristischer Skandal, der dem Ansehen der Schweiz weltweit immensen Schaden zufügen wird, «sondern auch eine Ohrfeige ins Gesicht aller Kulturschaffenden in der Schweiz», so der Verband. «Wir Schweizer Filmer und Filmerinnen protestieren scharf und fordern das Bundesamt für Justiz auf, die kulturelle Ehrung eines international anerkannten Filmkünstlers nicht für eine Schweizer Justizposse auszunutzen.»

Es sei eine Ungeheuerlichkeit, dass die Schweizer Justiz dem Begehren der USA, das auf einen amerikanischen Haftbefehl aus dem Jahr 1978 fusse, nachgebe und einer der renommiertesten Filmregisseure der Welt wegen eines über dreissig Jahre zurückliegenden Falles verhaftet werde.

Am Sonntagnachmittag meldeten sich nach und nach verschiedene Stimmen zur Verhaftung des berühmten Regisseurs. Die französische Regierung reagierte irritiert auf die Festnahme ihres Staatsbürgers. Staatspräsident Nicolas Sarkozy erklärte, er hoffe auf eine baldige Bereinigung der Situation und der Aussenminister von Polen, Radoslaw Sikorski, sagte in einer Stellungnahme, er wolle die USA um Gnade für Polanski bitten.

In Verteidigungsstellung ging Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf: «Wir finden in der Schweiz, dass das Recht durchgesetzt werden soll.» Wenn Polanski ein Herr Müller gewesen wäre, würden die meisten Menschen hierzulande denken, dass der Vollzug des Haftbefehls normal sei. Gleichzeitig sagte die Justizministerin, dass die USA keinen Druck auf die Schweiz ausgeübt hätten. Es gebe keinen Grund, «einen gültigen internationalen Haftbefehl nicht zu vollziehen», erklärte Sprecher Guido Balmer.

Nur: Roman Polanski hielt sich öfters in der Schweiz auf. Er hat hier sogar ein Ferienhaus. Seltsam also, dass der Filmregisseur ausgerechnet jetzt, wo er einer Einladung eines Filmfestivals nachkommt, «eingesackt» wurde, findet der Klein Report. Peinlich, unsensibel und kommunikativ erneut ein Fauxpas erster Güte den die Schweizer Behörden da liefern. Am Zürich Filmfestival amüsierte sich nebst vielen «Müllers» auch ein gewisser Peter Kurer, langjähriger Chefjurist und spätere (kurzweilige) Boss der fast kollabierten Schweizer Grossbank UBS. Ist das jetzt ein Müller oder ein Kurer?

Die «Los Angeles Times» berichtet davon, dass die Verhaftung von Polanski schon längere Zeit von der US-Justiz vorbereitet worden sei. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass er in einem Land festgenommen werden sollte, das ein Auslieferungsabkommen mit den USA abgeschlossen hat. Die Zeitung bezieht sich auf Sandi Gibbons, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Zwei mal seien die erforderlichen Papiere in Los Angeles vorbereitet worden. «Aber offensichtlich bekam er Wind davon und änderte seine Reisepläne», erklärte die Sprecherin gegenüber der «Los Angeles Times».

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