Viele halten den Medienjournalismus für zu angepasst und zu zahm. Ein unkritisches Interview wurde an der Jahrestagung des Netzwerks Recherche in Hamburg gar als «GAU des Medienjournalismus» bezeichnet. Roger Blum berichtet für den Klein Report vor Ort über die Veranstaltung.
Die «Süddeutsche Zeitung» hatte in der Nummer vom 25./26. Juni dieses Jahres den Vorstandsvorsitzenden des Springer-Konzerns, Matthias Döpfner, interviewt - und sprang dabei ganz lieb mit ihm um. Warum die Milde? Der Süddeutsche Verlag und der Axel Springer Verlag hatten zusammen mit sechs anderen grösseren deutschen Verlagen gegen die kostenlose Tagesschau-App der ARD für iPhones und Tablet PCs geklagt. Ausnahmsweise sitzen die beiden Verlage also im gleichen Boot. In Hamburg bezeichnete Jakob Augstein, Verleger der Wochenzeitung «Der Freitag», diese milde Befragung als «GAU des Medienjournalismus». Er ging sogar noch weiter und erklärte: «Das war wie in der DDR.» In Deutschland funktioniere ein grosser Teil des Medienjournalismus so. Lediglich in der Kritik der «Bild»-Zeitung seien sich alle einig. Dabei müsste der Medienjournalismus die Kontrolle der Kontrolleure übernehmen, sagte Augstein.
Die Medienjournalistin Ulrike Simon - sie schreibt für die «Berliner Zeitung» und die «Frankfurter Rundschau» - widersprach. Man trete den anderen schon ans Schienbein. Sie gestand allerdings ein: Es fehle an Mut, die wirklich Mächtigen im Mediensystem zu kritisieren. Doch wenn man nüchtern, redlich und beide Seiten spiegelnd vorgehe, könne man auch Themen behandeln, in denen das eigene Haus Partei sei, sagte sie.
Julia Stein, Redaktionsleiterin des Medienmagazins «Zapp» beim Norddeutschen Rundfunk, kann gut nachvollziehen, was es heisst, mit einem Beitrag das eigene Haus anzuschwärzen. «Zapp» hatte in einer Sendung die Nebenverdienste der Fernsehjournalisten kritisiert, auch die des eigenen Hauses. Die Sendung habe positive und negative Nachspiele gehabt, sagte Stein. Man müsse sich jeweils auch fragen, wie viel Porzellan mit einem Beitrag kaputt gehe.
Umstritten war, ob im Medienjournalismus eher die kleinen Geschichten oder die grossen Hintergründe entscheidend seien. Lutz Hachmeister, Direktor des Instituts für Medienpolitik in Berlin, plädierte dafür, die Geschichten hinter den Geschichten zu recherchieren. Auch Steffen Grimberg, Medienredaktor der «taz», anerkannte, dass die Zeit für die grossen Geschichten gekommen sei. Denn, so Simon, die Leute interessiere es durchaus, was sich im Mediensystem tue.