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Montag
18.01.2021

TV / Radio

Alles fliesst: «Wir wollen für die Zuschauenden attraktiv bleiben und dafür braucht es stetige Veränderung...»      (Bild zVg)

Alles fliesst: «Wir wollen für die Zuschauenden attraktiv bleiben und dafür braucht es stetige Veränderung...» (Bild zVg)

TeleZüri konnte im zweiten Halbjahr 2020 seine Reichweite spürbar ausweiten. 

Im Gespräch mit dem Klein Report sprach Oliver Steffen über die erfreulichen Mediapulse-Zahlen, über sein erstes halbes Jahr als Super-Chefredaktor der TV-Sender von CH Media und über die neue Konkurrenz durch Blick TV und dem Video-Team von «20 Minuten».

TeleZüri konnte im zweiten Halbjahr 2020 seinen Marktanteil deutlich vergrössern. Bravo! Was steckt hinter dem Erfolg?
Oliver Steffen: «Das grosse Informationsbedürfnis der Zuschauerinnen und Zuschauer während dieser Pandemie hat TV-Sendern mit starker Nachrichtenleistung enorme Chancen gebracht. Mein Team hat diese Chance an allen Standorten gepackt mit starken, breiten und regionalen Informationsinhalten. Ausserdem haben unsere fast täglichen Talksendungen den Vorteil, dass wir das Thema des Tages in Diskussionen vertiefen können mit Bundes- und Regierungsräten, Parlamentariern, Wissenschaftlern und Betroffenen. Entsprechend gross war der Zuspruch des Publikums. Und nicht zuletzt setzen wir gezielt auf neue Formate und Themen, die auch ein jüngeres Publikum beschäftigen.»

Und geht noch mehr?
Steffen: «Wir sind im Moment bei der Reichweite in einer neuen Dimension, auch dank sehr viel neuen jüngeren Zuschauenden. Eine weitere Steigerung schliesse ich nicht aus. Entscheidend ist für mich die Nachhaltigkeit. Deshalb arbeiten wir hart daran, auch die Bedürfnisse der neuen Zuschauenden mit jüngeren Inhalten und Formaten abzudecken.»

Wie reagiert TeleZüri in Redaktion und Programm auf die Corona-Krise?
Steffen: «Programmlich sind wir enorm flexibel gerade in unseren Diskussions-Sendungen ‘TalkTäglich’ und ‘SonnTalk’. Dadurch gelingt es uns sehr viele Facetten dieser Pandemie zu diskutieren und zusätzlich die Zuschauerinnen und Zuschauer telefonisch einzubinden. Rückmeldungen zeigen, dass diese Sendungen vielen eine Orientierung geben. In der Newsredaktion haben wir nochmals an Geschwindigkeit zugelegt, auch mit technologischen Innovationen. Ausserdem hilft auch die Zusammenarbeit der Regionalsender und nicht zuletzt unsere starke Präsenz im Bundeshaus mit Matthias Steimer

Wie ist der «neu normale» Arbeitsalltag im Studio?
Oliver Steffen: «Wie viele andere Betriebe haben wir ein strenges Schutzkonzept mit Masken, Homeoffice und Videokonferenzen. Wir lernten, wie es auch für den kreativen Austausch nicht zwingend physische Nähe braucht. Aber all diese kleinen Gespräche zwischen Tür und Angel, die auch ein enormes kreatives Potential haben, fehlen trotzdem.»

Im letzten Juni haben Sie das Ruder von Markus Gilli übernommen. Dann musste er sich im Spital behandeln lassen. Wie geht es ihm?
Steffen: «Ich tausche mich mit Markus etwa alle zehn Tage aus und es freut mich, dass es ihm stetig besser geht. Schön ist auch, dass sich viele Zuschauerinnen und Zuschauer um den Gesundheitszustand von Markus Gilli sorgen. Ich habe auch volles Verständnis dafür, dass sie wissen wollen, wie es ihm geht. Die Gesundheit ist aber ein hohes privates Gut, weshalb ich sehr zurückhaltend bin mit Aussagen dazu.» 

Wie haben Sie sich eingelebt in Ihrer neuen Rolle?
Oliver Steffen: «Im Radio wurde ich 2001 kurz vor dem Katastrophenherbst (9/11, Grounding, Amoklauf Zug, Crossair-Absturz, Gotthardbrand) Chefredaktor und jetzt beim Bereich TV Regional in der Corona-Pandemie. Es ist schön erneut erleben zu dürfen, wie meine Teams in der ganzen Schweiz publizistische Höchstleistungen erbringen für die Menschen in der Region. Ich glaube das hat uns alle stärker zusammengeschweisst und mir den Einstieg erleichtert – trotz sehr langen Arbeitstagen.»

Mal abgesehen von der positiven Mediapulse-Bilanz für TeleZüri: Wie sieht Ihr Fazit aus nach Ihrem ersten halben Jahr als Chefredaktor aller TV-Regionalsender von CH Media?
Steffen: «Mit ‘+41 – das Schweizer Reportagemagazin’ und ‘Money – Vergleichen und Sparen’ haben wir gleich zu Beginn des Jahres zwei neue Formate lanciert. Beide sind eine programmliche Bereicherung für unsere TV-Sender und mit ein Grund für die zusätzlichen jungen Zuschauenden. Darüber freue ich mich natürlich genauso, wie über die Veränderungsbereitschaft meiner Mitarbeitenden. Sie wissen: Ich will, dass sie gute Ideen sehr rasch am Sender ausprobieren und daraus lernen. Das tun wir mittlerweile fast jeden Tag im Kleinen. Ebenfalls positiv ist meine Bilanz bei unserer Online-Entwicklung. Mit den Today-Portalen, welche wir gemeinsam mit den CH Media-Radiokollegen ins Leben riefen, in St. Gallen, Luzern und bald auch in Aarau erreichen unsere Bewegtbild-Inhalte noch mehr Menschen in den Regionen.»

Was ist (oder wird) anders bei TeleZüri, TeleBärn, Tele M1, TVO und Tele 1 mit Ihnen als «Super-Chefredaktor»?
Steffen: «Wichtig ist, dass jeder Sender einen eigenen Chefredaktor hat, der die Bedürfnisse der Menschen in seiner Region kennt. Alle fünf zeichnet eine hohe Innovationskraft aus und sie stossen viele Initiativen an. Wir arbeiten an der Dramaturgie der bestehenden Sendungen, an neuen Formaten, casten neue TV-Gesichter, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Im Kern geht es bei allem um eines: Wir wollen für die Zuschauenden attraktiv bleiben und dafür braucht es stetige Veränderung. Alleine im ersten Quartal wollen wir mit rund vier bis fünf neuen Formaten starten – ob das gelingt, ist abhängig von den Entwicklungen der Corona-Pandemie, die uns mit den aktuellen Massnahmen bei Dreharbeiten ausbremst.»

Woran wollen Sie unbedingt festhalten?
Steffen: «Wir dürfen nie vergessen, was unsere starken Marken für die Zuschauenden bedeuten: Halt, Orientierung und Nähe. Deshalb werden wir im Kern immer Regionalsender bleiben und unseren publizistischen Beitrag an den Service Public leisten. Das bedeutet aber keinesfalls stehen zu bleiben – im Gegenteil wir müssen uns gerade deswegen den veränderten Bedürfnissen unserer Zuschauenden und Usern anpassen.»

Die TV-Regionalsender sind seit den 1990er-Jahren mit Nachrichten und Talk-Formaten gross geworden. Ist diese publizistische Ausrichtung in Stein gemeisselt?
Steffen: «Alle Sender – ausser TeleZüri – haben eine Konzession und die regelt den Bereich Information ziemlich klar und zum Teil auch etwas starr. Innerhalb dieses Rahmens können wir uns bewegen. Das bedeutet, regionale Information bleibt zentral und für eine Meinungsbildung sind Diskussionen sehr wichtig. Aus diesem Grund sind News und Talks so wichtig und erfolgreich. Was sich ändern wird, ist die stündliche Wiederholung dieser Formate. Sie werden immer stärker zeitversetzt konsumiert und das schafft im linearen Programm Platz für neue Formate.»

Der «Blick» ist jetzt auch ein Fernsehveranstalter. «20 Minuten» hat kürzlich ankündigt, sein Video-Team aufzustocken. Wie reagieren Sie als inzwischen schon «klassisches» Regional-TV darauf?
Oliver Steffen: «In Ihrer Frage schwingt mit, dass die Regionalsender etwas Staub aufgesetzt haben könnten und dagegen wehre ich mich nach Kräften, weil es meinem Team in keiner Weise gerecht wird. Die Entwicklung im Storytelling, dem Erzählen in wuchtigen Bildern, Sendeformen und der Sendungsdramaturgie bei unseren Regionalsendern war im letzten Jahr enorm. Mit unseren konvergenten Redaktionen, welche im digitalen Bereich die staken, mit den CH Media-Radiokollegen betriebenen Today-Plattformen einschliessen, sowie unserer Video-Strategie ‘Mobile first’ sind wir am Puls der Zeit und nicht gezwungen zu reagieren. Dieser Weg bleibt natürlich anspruchsvoll. Trotzdem verfolge ich diese beiden Projekte mit grossem Interesse und sehe zum Beispiel im Bereich der Video-Player-Technologie spannende Innovationen.»