Ob das freilich reicht, nächstes Jahr auch noch eine fünfte Ausgabe des TV-Quotenknüllers «Die grössten Schweizer Hits» zu produzieren? Es darf gezweifelt werden. Mit dem Sieger der vierten Staffel jedenfalls hat sich eines erneut gezeigt: Volkstümliches und Schlager dominierten.
Kein Wunder: Nach dem Polo-Hofer-Gassenhauer «Alperose», der irgendwie auch noch unter volkstümlich durchgeht, siegten in den letzten drei Jahren nur noch reine Volksmusikanten: Der «Schacher Seppli» Ruedy Rymann 2007 (er starb neun Monate nach seinem Sieg an Krebs), die Berner Jodeltruppe Oesch`s die Dritten 2008 und jetzt mit dem Nidwaldner Jodlerklub Wiesenberg und Francine Jordi gleich nochmals Vertreter des gleichen Genres.
An der Aftershow-Party in der Bodensee Arena in Kreuzlingen jedenfalls wurde dieses Thema vor- und rückwärts diskutiert. Gewinnen die Volksmusiker, weil deren Anhänger keine Partygänger sind und somit am Sonntagabend nicht auf der Piste, sondern zu Hause auf der Couch? Und ist dieses - meist ländliche - Publikum eher bereit, per Telefon oder SMS Stimmen an ihre Favoriten abzugeben als die jungen Urbanen, deren Favorit Bligg noch vor dem abwesenden Finalisten Gölä immerhin den zweiten Platz erreichte?
Schweizer Fernsehen DRS gibt über die eingegangenen Anrufe keine Rechenschaft ab. Die Voting-Punkte des TV-Publikums sollen dafür ausreichen. Würde die Story stimmen, dass Stars wie Francine Jordi nur dank ihres riesigen und emsigen Fan-Clubs jedesmal in den vordersten Rängen landet, dann hätte das 100-köpfige Wunderbar-Ensemble mit seinem riesigen Verwandten- und Bekanntenkreis zumindest unter die Top 3 kommen müssen. Doch weder sie noch Schlagersänger Stefan Roos und seine Sängerfreunde schafften das. Theorien bleiben nun mal Theorien, solange das Fernsehen keine konkreten Zahlen nennt.
Die Final-Sendung jedenfalls, und das war die Meinung aller an der Aftershow-Party, war die mit Abstand beste der vierten Staffel. Moderator Sven Epiney blieb wie immer ohne Fehl und Tadel. Die drei sogenannten «Gschpänli» auf den Stühlen im Spotlight hingegen übertrafen sich geradezu mit Kalauern und gegenseitigen Anmach-Sprüchen. Sie improvisierten mit Epiney gekonnt den ABBA-Titel «Take A Chance On Me» a capella, sangen beim Gölä-Titel «I ha di gärn» ebenso lauthals karaoke-mässig mit wie bei «Bella Musica» von Nella Martinetti. Die Tessinerin, die das Lied kurz zuvor im Tonstudio - eine Tonlage tiefer - extra für die TV-Sendung nochmals aufgenommen hatte, musste wegen ihrer schweren Krebserkrankung passen. Das Publikum feierte sie während ihrer Abwesenheit euphorisch.
Mit Lärm, Gekreisch und Szenen-Applaus versuchten euphorische Bligg-Anhänger in der Arena, das Stimmvotum für Bligg zu beeinflussen. Kaum fiel sein Name und kaum tauchte er auf, ging das Gekreisch von vorne los. Es half nicht; Bliggs Rap, mit Volksmusik aufgemotzt, schaffte nur den zweiten Platz. Trotzdem war der Zürcher zufrieden. «Ich habe den Jodlerklub Wiesenberg von Anfang an als Top-Favoriten angesehen», so Bligg gegenüber dem Klein Report. «Ich bin überhaupt nicht enttäuscht.» Lustig, dass ausgerechnet Sepp Amstutz, Vorsinger des Siegertitels «Das Feyr vo dr Sehnsucht», bei Bligg Autogramme für seine Kinder holte.
SF DRS wird sich eine fünfte Staffel reiflich überlegen müssen. Auch wenn die Schweizer Musikszene boomt wie nie zuvor, bei den Oldies musste man bereits in die internationale Kiste greifen und von Beatles, Rolling Stones, Pink Floyd bis Michael Jackson die Grössten der Szene «verarbeiten».
Und die eingespielten Sprüche der TV-Promis waren auch schon spontaner. Es sind ja auch nicht alle so echt wie Polo Hofer oder so witzig wie René Rindlisbacher, der spontan von Epiney aufgefordert, noch Sketches zu den Songtiteln improvisieren musste. Ob «MusicStar» oder «Die grössten Schweizer Hits»: Eines haben beide Sendungen trotz der teils miserablen Presse gemeinsam: Die Einschaltquoten stimmen noch immer.
Montag
23.11.2009