In der Einleitung zum Text «Das grosse Interview mit Peter Wanner» in der eigenen Zeitung «Der Sonntag» rechtfertigen seine angestellten Journalisten das Interview unter dem Titel «In meinen Adern fliesst liberal-radikales Blut» damit, dass man auch schon «grosse Interviews mit Michael Ringier, Tamedia-Verleger Pietro Supino und dem langjährigen SRG-Generaldirektor Armin Walpen» gebracht habe, «aber noch nie eines mit dem eigenen Verleger».
Da scheinen die vielen Lobhudeleien aufs eigene Haus - speziell im «Sonntag» - gar rasch und fälschlicherweise wieder vergessen. Wie bei Tamedia, Ringier oder neuerdings auch der SRG reden die Chefs gerne mit den eigenen Untergebenen, die diese in ihrer Funktion (als Watchdogs) ironischerweise wiederum beurteilen oder gar kritisieren sollten.
PR-Mann (Swiss Media Forum) und Chefredaktor Patrik Müller zitiert denn auch ausgerechnet den blutroten Kommunikationsdienst «persönlich», der die Übernahme der TV-Regionalsender Tele Züri und Tele Bärn durch die AZ Medien als «Mediendeal des Jahres» bezeichnet hat. Deshalb komme es «nun zur Premiere» mit dem Verleger.
Der sogenannte «Mediendeal des Jahres» wird im «Sonntag»-Interview auf 30 Millionen Franken (Mediendeal des Jahres?) geschätzt. Beim Hausherrn wird nachgefragt, ob er sich «nicht übernommen» habe. AZ-Verleger Peter Wanner darauf: «Das ist eine Fangfrage. Ich äussere mich sicher nicht zum Preis. Eines kann ich Ihnen aber verraten (schmunzelt): Wir haben nicht so viel bezahlt wie vor zehn Jahren die Tamedia, als sie Roger Schawinski die Sender abgekauft hat (rund 92 Millionen, die Red.).»
Von Faktenlage und Verhältnismässigkeit keine Spur bei den «Sonntag»-Journalisten: Im Verkaufspaket an die Tamedia durch Roger Schawinski, das Ende August 2001 in allen Details publik gemacht wurde, heisst es, dass die Belcom Holding AG an die Tamedia AG verkauft worden ist. Die Holding gehörte zu 60 Prozent Roger Schawinski und zu 40 Prozent der Credit Suisse First Boston Private Equity. «Die Tamedia bezahlt für die Zürcher Mediengruppe 92 Millionen Franken», wie Roger Schawinski es damals per Kommuniqué jedem, der es wissen wollte (oder auch nicht), kundtat. In dem Paket waren das nationale TV-Projekt Tele 24, aber vor allem der Sender Radio 24 enthalten, die heutige Cashcow, die nicht im Wanner-Paket ist.
Wer den Dollar vom Dow-Jones unterscheiden kann, sieht klar, dass «Roscheeee» seinen lahmenden Gaul Radio 1 im Konzessionsgebiet 23 (Marktanteil zurzeit: 4,1 Prozent; Marktanteil Radio 24: 10,1 Prozent) gerne mit dem Rennpferd Radio 24 fusionieren möchte. Schauen wir mal, ob Tamedia-Verleger Pietro Supino, der sich immer noch im medialen Aufgalopp befindet, hier nicht noch eine Rolle rückwärts hinlegt. Mit dem Verkauf der Regionalsender Tele Züri und Tele Bärn hat Tamedia eine publizistische Lösung gefunden und das Gesicht gewahrt.
Dealmaker Martin Kall hätte natürlich gerne den ganzen Plunder aus TV- und Radiosendern (Radio 24, Capital FM, Tele Züri und Tele Bärn) zu einem hohen Preis an einen Käufer verscherbelt; finanztechnisch und unternehmerisch ist da gar nichts einzuwenden. In den vergangenen zehn Jahren hat der Tamedia-Konzern aber nie richtig in den Zürcher Privatsender Tele Züri investiert, die Umsätze sind seit dem Verkauf durch Roger Schawinski denn auch merklich zurückgegangen, seit 2004 schreibt der Sender aber schwarze Zahlen.
«Wir werden nichts an Tele Züri ändern», verkündete Wanner am Verkaufstag im Zürcher Privatsender. «Hilfe!» haben da wohl ein paar Dutzend Tele-Züri-Menschen geschrien, denn der auf Publikumsseite bereits deutlich überalterte Sender braucht Auffrischung. Immerhin hat Wanner erkannt, dass er Chefredaktor Markus Gilli im Sattel behalten muss. Gilli und sein Team wären sicherlich froh, wenn sie professionell in Ruhe arbeiten und den TV-Sender leicht modernisieren könnten.
Es sei nun «überall die Rede von mir, aber einen wichtigen Anteil an diesem Deal hat unser CEO Christoph Bauer, der mit Tamedia-Chef Martin Kall die Verhandlungen geführt hat», machte Wanner im Hausblatt PR nach innen. Wohl wahr: Bauer, der mehrere Jahre als Verlagsmanager für Ringier gearbeitet hat, reorganisierte die AZ Medien fundamental, nachdem man 2009 einen Verlust von 14,8 Millionen Franken ausgewiesen hat und der Verlag mit unausgelasteten, teuren multimedialen Radio- und TV-Studios im Aargau dastand.
Seinen Traum, auf nationaler Ebene publizistisch mitspielen zu können, hat sich Wanner mit der Zeitung «Der Sonntag» erfüllt. Das Blatt ist in der Gruppe zwar ein finanzielles Sorgenkind, da es immer nur knapp an der schwarzen Null herumlaboriert und zu grossen Teilen deutlich in den Unterhaltungsjournalismus abgedriftet ist.
Dass der Erfinder des «Mediendeals des Jahres», «persönlich», im Besitz der Anzeigenvermarkterin Publigroupe hochgradig Mühe hat mit der Unabhängigkeit, ist nicht unverständlich und kein neues Problem im Konzernjournalismus. Blocher-Vasall («Teleblocher») und Chefredaktor Matthias Ackeret bringt es denn auch nicht fertig, die vom Presserat abgeschmetterte Beschwerde der Publigroupe vom 23. August in seinem Organ zu publizieren.
CEO und Verwaltungsratspräsident Hans-Peter Rohner geisselte in der Beschwerde die «SonntagsZeitung», da sie im Vorfeld einer Medienorientierung über die Halbjahresergebnisse im August 2010 kritisch über den in grosse Schieflage geratenen Inseratevermarkter berichtet hatte. Die Zeitung konfrontierte Rohner mit Gerüchten, er wolle die Gesellschaft nur noch fit machen für einen Verkauf oder eine Aufspaltung, sowie mit der Kritik, ein neues Preismodell im Bereich Media Sales sei ein «Rohrkrepierer». Rohner wollte sich vor der bevorstehenden Medienkonferenz nicht äussern, gelangte aber nach der Publikation eines kritischen Artikels an den Presserat.
Die Hauszeitung der Publigroupe hat nun am Montag, dem 29. August, eine neue Chance. Dann werden die Halbjahresergebnisse der Publigroupe fürs Jahr 2011 publiziert.
Fairerweise muss man erwähnen, dass beim Gegenstück zu «persönlich», bei der «Werbewoche», die Sache nicht viel besser liegt. Dort ist Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument seit einigen Monaten Besitzer. Der Zürcher Kleinverlag gibt zudem das «Media Trend Journal» heraus, eines der letzten richtigen Fachmagazine. Es befasst sich unter anderem mit den Budgetvergaben im Werbebereich, das sind die zirka fünf Milliarden Franken der Auftraggeber, denen die Verlegerinnen und Verleger, die SRG und wer weiss noch hinterherrennen.
Lebrument, um das abzurunden, ist übrigens auch der Drucker der Printausgabe von «persönlich». Dass er in seinem Medienverbund von seinen lokalen Verlegerpartnern eingeklagt worden ist und dass ihn auch die Publigroupe unter anderem wegen Inseratevermarktungsgeschäften eingeklagt hat, darüber berichtet niemand - ausser der Klein Report jetzt. Da haben wir unsere Schuldigkeit getan.
So schlimm und tief gesunken ist der Wanner Peter aber nicht. Um es klar zu sagen, der Klein Report begrüsst diesen Fernsehkauf sehr. Zu tun gibt es aber doch noch viel für die AZ Medien, auch wenn es nicht der sogenannte «Mediendeal des Jahres» war, was den Superlativ betrifft. Ausser, dass Peter Wanner nun das Maximum an erlaubten konzessionierten und damit vom Staat unterstützten TV- und Radiosendern hält: Vier Konzessionen - plus Tele Züri, das ja bekanntlich keine Konzession erhalten hat, dafür geografisch nicht eingeschränkt ist.
Wie hiess der Titel des hauseigenen Interviews? «In meinen Adern fliesst liberal-radikales Blut».