Der Westschweizer Journalist Arnaud Bédat hat vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht erhalten. Die Schweizer Behörden hätten mit seiner Verurteilung das Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt, entschied das Strassburger Gericht.
Bei der Rechtssache ging es um den am 15. Oktober 2003 erschienen Artikel «Das Drama von Grand-Pont in Lausanne - Die Befragung des verrückten Lenkers». Ein Autolenker war auf ein Trottoir gerast und hatte dabei drei Menschen getötet. Er wurde später wegen mehrfachen Mordes schuldig gesprochen und wegen Unzurechnungsfähigkeit verwahrt.
Bédat zeichnete im Artikel für die Zeitschrift «L`Illustré» ein Porträt des angeklagten Lenkers, fasste das Einvernahmeprotokoll der Polizei zusammen und illustrierte die Geschichte mit Fotos und Briefen, die der Beschuldigte an den Untersuchungsrichter gerichtet hatte.
Der Journalist Bédat wurde daraufhin von der Waadtländer Justiz wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente zu einer bedingten Gefängnisstrafe von einem Monat und einer Busse von 4000 Franken verurteilt. Bédat zog den Fall weiter vor das Bundesgericht, welches das Urteil aus Lausanne stützte.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügte das Vorgehen der Schweizer Behörden. Die Öffentlichkeit habe im Allgemeinen das Recht, über Strafsachen informiert zu werden. Der Journalist habe zwar wissen müssen, dass die Ermittlungsakten geheim sind, die Behörden hätten aber zu wenig aufgezeigt, inwieweit die Verbreitung der Dokumente einen negativen Einfluss auf die Unschuldsvermutung und ein faires Verfahren gehabt habe.
Das Urteil gegen den Autolenker sei durch professionelle Juristen und nicht durch eine Jury gefällt worden. Es könne davon ausgegangen werden, dass diese frei und von der Unschuldsvermutung ausgehend entschieden hätten.
«Die Meinungsfreiheit gilt nicht nur für harmlose Ideen und Informationen, sondern auch für solche, die beleidigen, schockieren oder beunruhigen», betonte das Gericht weiter.
Da der im Artikel beschriebene mutmassliche Täter selbst keine Klage gegen den Journalisten erhoben habe, sei die Verfolgung durch die Schweizer Behörden «unnötig in einer demokratischen Gesellschaft» gewesen.