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Donnerstag
30.06.2011

Der Bericht des Bundesrates «Pressevielfalt sichern» basiert im Wesentlichen auf Studien zur Situation und Entwicklung der Medienlandschaft Schweiz, welche vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) (mit-)finanziert wurden. Der Klein Report bietet im Folgenden eine Übersicht über die wichtigsten Erkenntnisse der einzelnen Untersuchungen:

Edi Kradolfer, Ueli Custer und Matthias Künzler untersuchten im Auftrag des Bundesamtes für Kommunikation die wirtschaftlichen Entwicklungen der Medien in der Schweiz 2000-2010. Die Studie basiert auf Sekundäranalysen von amtlichen und privatwirtschaftlich erhobenen Medienstatistiken und Datensammlungen.

Das Ergebnis: Der Pressebereich ist ökonomisch rückläufig. Die Werbeeinnahmen der Presse sind zwischen 2001 und 2009 um ein Drittel zurückgegangen und betragen 2009 noch 1,9 Milliarden Franken. Privathaushalte geben im Vergleich der Jahre 2000 und 2008 ein Fünftel weniger für Presseprodukte aus; dafür mehr für elektronische Geräte, insbesondere für Computer und Fernseher. Die zehn grössten Multimediaunternehmen mit Schwerpunkt Presse im Jahr 2001 sind 2009 zu sieben zusammengewachsen; ihr Gesamtumsatz sank in dieser Zeit um eine Milliarde Franken, von 6,9 Milliarden 2001 auf 5,9 Milliarden 2009. Die Reichweite der Onlineausgaben der grossen Deutschschweizer Tageszeitungen übertrifft mittlerweile die Reichweite der gedruckten Ausgaben.

Insgesamt gesehen, sei die Entwicklung der Presselandschaft Schweiz durch eine Negativspirale gekennzeichnet, die vor allem auf die Kaufpresse durchschlägt, durch ein Zusammenwirken von abnehmender Nutzung und sinkenden Werbeeinnahmen, heisst es in der Untersuchung. Ein Ende dieser Abwärtsspirale sei nicht absehbar. Aus demokratiepolitischer Perspektive stellt sich laut den Autoren der Studie die Frage, inwieweit die anspruchsvolle Produktion qualitativ hochwertiger journalistischer Information längerfristig finanzierbar ist.

Das Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich wagte 2010 einen Blick in die nahe Zukunft und prognostizierte «Die Medienlandschaft 2015», basierend auf statistischen Prognoseberechnungen mit Sekundärdaten und narrativen Zukunftsszenarien auf der Grundlage von Expertenworkshops.

Das rechnerische Prognosemodell zeigt für die Werbeeinnahmen nach den Krisenjahren 2008 und 2009 insgesamt eine allmähliche Erholung, eine Voraussage, welche sich bereits bestätigt hat. Ausgenommen vom positiven Trend ist laut der Studie der Pressebereich, der bei der Werbung weiterhin eine deutliche, leicht gebremste Abwärtsbewegung aufweisen werde. Der Titelschwund bei Kaufzeitungen wird laut dieser Untersuchung anhalten, die Nutzung von Radio und Fernsehen konstant bleiben und die Nutzung des Internet zunehmen, wobei hier in den kommenden Jahren Sättigungseffekte erwartet werden. Auf der Basis der rechnerischen Prognosen bezweifelt die Studie, ob in Zukunft Qualität im Printbereich aus Werbung und Zeitungsverkauf finanzierbar sein wird. Wahrscheinlicher seien Szenarien, die ein unerfreuliches Bild der Pressezukunft zeichnen. Die Werbeerlöse bei Radio und Fernsehen werden sich dagegen in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich erhöhen; das Potenzial sei hier noch nicht ausgeschöpft.

In den Expertenworkshops wurde mit Ausnahme der Radio- und Fernsehvertreter in keinem Workshop die Regulierung als zentrale Dimension bezeichnet, welche die Zukunft der Branche in den nächsten fünf Jahren bestimmen könnte. Vielmehr wurde darauf verwiesen, dass die Leistung der Medien für die Gesellschaft durch die SRG sichergestellt sei. In keinem der vier Workshops wurde die Medienkonzentration als zentrale Dimension bezeichnet. Kein Workshopteilnehmer erklärte, die Zukunft des eigenen Unternehmens sei von der Subventionierung des Postvertriebs abhängig. Der Vertrieb der gedruckten Zeitung wurde eher als Auslaufmodell bezeichnet.

Ebenfalls die Universität Zürich untersuche die «Informations- und Meinungsvielfalt in der Presse unter Bedingungen dominanter und crossmedial tätiger Medienunternehmen». Als Methode kamen Struktur- und Inhaltsanalysen in zwei Regionen mit Medienkonzentration, nämlich Aargau und Südostschweiz, zur Anwendung.

Gefragt wurde nach einem Zusammenhang zwischen Medienstrukturen und Inhalten öffentlicher Kommunikation. Im Aargau wurde die Berichterstattung der «Aargauer Zeitung», welche eine dominierende Stellung einnimmt, analysiert: «Die Berichterstattung ist insgesamt sachorientiert, ihr fehlt aber die Einordnung in eine Langzeitperspektive», lautet das Fazit der Medienwissenschaftler. Bei der Wochenpresse sei zwar eine grössere Vielfalt vorhanden, diese allein garantiere aber noch nicht für eine Informationsvielfalt.

Bei der «Südostschweiz», dem dominierenden Blatt in der gleichnamigen Region, erkennen die Autoren der Studie eine Berichterstattung, welche vergleichsweise wenig politisiert sei. Auch die Mehrfachverwertung von redaktionellen Eigenleistungen sei vergleichsweise gering und betreffe Kultur-, Sport- und Human- Interest-Themen, nicht aber Politik und Wirtschaft.

Die Medienwissenschaftler gelangen zum Schluss, dass in beiden untersuchten Regionen mehr als ein starkes Medienunternehmen auf dem Markt unrealistisch sei. Informationsvielfalt könne auch innerhalb eines Pressetitels mittels eines Kopfblattsystems zu einer breiten Vermittlung von Information führen. Die starke Stellung dürfe aber nicht dazu genutzt werden, bestimmte Meinungen und Akteure auszuschliessen, so das wenig überraschende Fazit der Untersuchung.