Marion Michels sprüht vor Lebenslust und Sinnesfreude, und sie hat es zu ihrem Beruf gemacht: Vom hochpreisigen Lifestyle-Magazin «La Tavola by Marion Michels», das diesen Monat seinen zehnten Geburtstag feiert, erscheinen sechs Mal jährlich 100 000 Exemplare (Druckauflage). Denn Marion Michels hat mit einem einzigartigen Vertriebssystem eine Marktlücke gefunden, die es auch im 21. Jahrhundert einer findigen Verlegerin noch möglich macht, in die Gewinnzone zu kommen. «Meine Zeitschrift liegt überall dort auf, wo Menschen warten müssen», verriet sie dem Klein Report ihr Erfolgsrezept.
Bei der Swiss erhält man «La Tavola» in der First und in der Business Class, in Deutschland liegt das Magazin in jeder Flughafen-Lounge auf, und in der Schweiz bei Hunderten von Coiffeuren, Zahnärzten, Physiotherapeuten und in Arztpraxen. «Auf diesem Weg finde ich dann auch meine Abonnenten», freut sie sich, «fast 25 000 sind es heute, das Heft geht bis nach Dubai und Südafrika.» Längst gibt es auch einen Abo-Club für treue Leser, der mit vielerlei Extras wie Kochkursen, Gourmetessen und Geniesserreisen lockt und den schönen Vorteil hat, dass sie nur alle zwei Jahre eine Abo-Rechnung verschicken muss.
Auf den Kioskverkauf, rund 8000 Exemplare, könnte Michels heute locker verzichten, «das Geld kommt ja ohnehin nicht vom Heftverkauf, sondern von den Inseraten», sagt sie gegenüber dem Klein Report. Und weil sie ihre Werbekunden pflegt, bleiben ihr diese auch treu: «Begonnen habe ich ganz ohne Abonnenten, alle Werbepartner des ersten Tages bekamen auch Kooperationen angeboten und sind so an Bord geblieben.» Jaguar und VZug, Gaggenau, Poggenpohl, Lindt & Sprüngli, Nestlé und viele mehr. Mittlerweile gibts auch eine «La Tavola»-App für das iPad. Dort kann man auf die Werbefilme der Inserenten klicken.
Marion Michels ist mit ihrer Zeitschrift für Gastlichkeit, Reisen, Ambiente und Wein im März 2002 in jene Lücke gesprungen, welche Johann Willsberger hinterliess, als er nach 20 Jahren sein Magazin «gourmet» über Nacht eingestellt hatte. Eigentliche Konkurrenz am Markt macht sie heute nicht aus, «wir bedienen ein ganz anderes Publikum als Marianne Wildeisens `Kochen` oder das Magazin `Marmite`», so Michels weiter.
Fünf Jahre gab sich die Verlegerin 2002 Zeit, um in die Gewinnzone zu kommen. «Ich fuhr nicht mehr in die Ferien und arbeitete an jedem Wochenende.» 2005 war «La Tavola» break-even und heute wirft das Magazin Geld ab, «auch wenn der Umzug vom Tessin, wo wir die ersten acht Jahre produziert hatten und alles gut eingespielt war, nach Zürich 2010 ein kostspieliges Risiko war», erklärte Michels.
«Man braucht schon den Mut eines Löwen und das Herz eines Schmetterlings, um das Wagnis einer solchen Zeitschriftenlancierung zu wagen», gibt sie zu. «Ich hatte mein ganzes Vermögen eingesetzt und wusste, dass ich von meinem Qualitätsanspruch nicht einen Zentimeter abweichen würde, auch wenn das noch mehr kosten sollte.» Sie druckt aus Prinzip in der Schweiz, neuerdings gar auf FSC-zertifiziertem Papier, das noch teurer ist als die bisherige Hochglanzversion, und sie leistet sich Mitarbeiter wie den früheren Modefotografen Dave Brüllmann, der für «La Tavola» seit der Ausgabe Nr. 1/2002 alle Bilder macht.
«Meine Erfahrung als Verlegerin von Coffee Table Books hat mir den Einstieg sicher erleichtert», sagt Marion Michels. «Kulinarik liegt mir wohl in den Genen, schon als Kind habe ich von Spargeln am liebsten die Köpfli und von den Forellen die Bäggli gegessen.» Ganz früher einmal war Marion Michels Mannequin und später Antiquitätenhändlerin.
«Dann, schon mit 50, fragte ich mich selbst, was ich denn eigentlich am liebsten tue, und die Antwort war: kochen und schreiben. So habe ich daraus einen neuen Beruf gemacht.» Ihre zehn Coffee Table Books wurden vielfach ausgezeichnet, der Prachtband «Haeberlin - Elsass, meine Liebe» wurde sogar weltweit zum «Best Cookbook Photography» gekrönt.
Und trotzdem, sagt die Verlegerin, die heute noch jedes Rezept in ihrem Heft selbst kreiert, sei sie keine eigentliche Krampferin: «Es ist eine organisch gewachsene Herzensangelegenheit, all die Köche und Leser, die den Weg mit mir gegangen sind, haben eigentlich die Geschichte von `La Tavola` geschrieben; ich selbst habe nur die Geschichten geschrieben, jede einzelne, jahrelang, von der ersten bis zur letzten Seite.» Und so solls auch bleiben - bis zum 20. Geburtstag von «La Tavola».