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Montag
23.11.2009

Er hatte keinen leichten Stand gegen den wortgewandten Publizisten und Buchautor Roger de Weck. Wie ein Schulbub bei der mündlichen Prüfung verhedderte sich Thomas Held zuweilen beim Versuch, die von de Weck rhetorisch brillant formulierten Analysen zur Finanzkrise und Plädoyers für einen neuen Kapitalismus zu kontern. «Es ist einfach so», war dann auch mehrere Male der argumentative Notausgang von Held, dem Chef der Wirtschafts-Denkfabrik Avenir Suisse.

Im Zürcher Theater Neumarkt stellte Roger de Weck am Sonntagabend sein neues Buch «Nach der Krise - Gibt es einen anderen Kapitalismus?» vor, das im Nagel & Kimche Verlag erschienen ist. Moderiert wurde das vom Publikum überrannte Streitgespräch von «Magazin»-Redaktor Daniel Binswanger.

Das de Weck’sche Essay, das im Rahmen einer fünfteiligen Serie auszugsweise bereits im «Magazin» abgedruckt wurde, versucht Lehren zu ziehen aus der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. De Weck skizziert eine neue Marktwirtschaft, die keinen Menschen ausgrenzt und Naturressourcen schont. «In Zukunft werden wir ein System haben, in dem Kooperation wieder wichtiger sein wird als Konkurrenz», prophezeite de Weck auf dem Podium. Denn heute würde der Markt vorzugsweise die Bedürfnisse von denjenigen befriedigen, die dies eben gerade nicht am dringlichsten nötig hätten, so de Weck weiter. Um eine maximale Freiheit für möglichst alle zu erlangen, brauche es von staatlicher Seite massvolle Regulierung statt wildwüchsiger Intervention. Doch den «staats-verachtenden Diskurs», der in der Schweiz in den letzten 20 Jahren dominiert hätte, «sollten wir ein für alle Mal hinter uns lassen», so de Weck.

«Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Res Strehle, der zum selben Thema im «Tagi» vom Samstag unter dem Titel «Ist Kapitalismus unmoralisch?» einen zweiseitigen Artikel publiziert hatte, gefiel die Diskussion im Neumarkt-Theater bestens - «abgesehen von den kleinen Spuren einer etwas grossen Distanz zum Publikum», die Thomas Held während der Diskussion aufgewiesen habe, wie Strehle gegenüber dem Klein Report sagte.

Strehle selbst steht nach eigenen Angaben ideologisch allerdings näher bei Roger de Weck als bei Thomas Held, der 1968 noch als Rudi Dutschke der Zürcher Studentenrevolte galt, sich heute aber als neoliberaler Vordenker am anderen Ende des politischen Spektrums niedergelassen hat.

Und wie geht es nun weiter nach der Krise? Er werde seine Analyse und Konzepte nicht aktiv in den tagespolitischen Diskurs tragen, sagte de Weck nach der Veranstaltung zum Klein Report. «Ich freue mich aber über jeden, der mein Buch liest.» Er sehe sich eher als Beobachter, denn als politischer Akteur, sagte der Publizist.