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Sonntag
15.04.2012

Seit 2010 ist Ignaz Staub Tamedia-Ombudsmann für die Deutschschweiz. Zum Start seiner zweiten Amtszeit von zwei Jahren sprach der langjährige «Tages-Anzeiger»-Journalist mit dem Klein Report über sein Mandat. Welches waren seine bisher schlimmsten Beschwerdefälle, welches die amüsantesten?    

Als Ombudsmann ist Ignaz Staub Ansprechperson für alle Beschwerden, die Inhalte der Tamedia-Titel betreffen. Seine Aufgabe, die er in einem 50-Prozent-Mandat von seinem eigenen Büro in Cham aus wahrnimmt, variiere dabei von Fall zu Fall. «Je nachdem ist der Ombudsmann Vermittler, Schlichter, Erklärer oder, in seltenen Fällen, gar Tröster.» Hilfreich ist nach seiner Erfahrung fast immer das persönliche Gespräch mit dem Beschwerdeführer, «sei es am Telefon, unter vier Augen oder in erweitertem Kreis, das heisst in der Gegenwart zuständiger Chefredaktoren oder Journalisten».

In seinem ersten Amtsjahr als Ombudsmann zählte Ignaz Staub 150 Beschwerdefälle, im zweiten waren es bereits 180, überwiegend von Einzelpersonen, in seltenen Fällen auch von Firmen oder Institutionen. «Was die Leserinnen und Leser bewegt, sind in erster Linie Themen, bei denen man in guten Treuen unterschiedlicher Meinung sein kann.» Dazu gehörten Glaube und Religion (Sekten), Medizin und Gesundheit (Alternativmedizin), Schule und Bildung (Mundart, Fremdsprachen) oder der Nahostkonflikt. Weniger häufig als erwartet seien Beanstandungen bezüglich der politischen Ausrichtung einzelner Tamedia-Titel. Und falls, dann hielten sie sich die Waage: «Es wird ähnlich oft Links- wie Rechtslastigkeit moniert.» Die Wahlberichterstattung vom vergangenen Herbst sei kaum kritisiert worden. 

Ein besonders heikles Thema sei die Auswahl von Leserbriefen in den Zeitungen und die Freischaltung von Onlinekommentaren. Viele Kläger, so Staub, seien sich zu wenig bewusst, «welcher Flut von Leserreaktionen sich Redaktionen mitunter gegenübersehen». Dies bedeute aber nicht, meint der Ombudsmann, dass die Auswahlkriterien in einzelnen Fällen nicht transparenter gemacht werden könnten. Und dann ist da noch die Sache mit der Sprache: «Wiederholtes Leserärgernis sind grammatikalische oder orthografische Fehler.»

Aus der Zunahme der Beschwerden will Staub aber nicht auf weniger genaue und weniger sachgerechte journalistische Arbeit schliessen. Zugenommen habe «wohl eher die Empfindlichkeit oder - in einzelnen Fällen - die Intoleranz seitens von Leserinnen und Lesern, die ihre eigenen Ansichten nicht bestätigt sehen», meint der Ombudsmann. «Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der SRG-Ombudsmann in seinem jüngsten Bericht.»

Unangenehm seien für ihn die Fälle, in denen er nichts tun könne, «weil die Betroffenen eigentlich einen anderen Adressaten brauchten, zum Beispiel einen Seelsorger oder einen Therapeuten». Wobei er auch in diesen Fällen versuche, die Betroffenen an eine geeignete Instanz weiterzuleiten. Und es käme auch zu heiklen Situationen: «Unlängst hatten wir einen Fall, in welchem ein erzürnter Leser mit körperlicher Gewalt gegenüber einem bestimmten Journalisten drohte.»

Doch es gäbe auch amüsante Reaktionen, fügt Staub an, vor allem von Leuten, die sich einem bestimmten Anliegen verschrieben hätten und ihn dabei als Komplizen gewinnen wollten: «Zum Beispiel beim Projekt, den Begriff `Bünzli` - `ein ehrenwerter Familienname` - aus dem Schweizer Sprachgebrauch zu tilgen, oder ein Schimpwort wie `Schweinehund` zu ächten, da es intelligente und liebenswerte Tiere missbrauche, und durch den Begriff `Mistkerl` zu ersetzen.»

Nach seiner persönlichen Motivation gefragt, meint der ehemalige USA- und Nahost-Korrespondent des «Tages-Anzeigers»: «Zum einen bleibe ich in meinem neuen Amt mit dem Journalismus verbunden, einem Beruf, der mir und meiner Familie - während unserer Zeit im Ausland - viel gegeben hat und den ich immer gerne ausgeübt habe.» Zum andern sei es für ihn spannend und auch heilsam, sein früheres Metier zur Abwechslung aus der Perspektive eines Konsumenten zu betrachten. Und: «Spannend ist auch der Austausch von Erfahrungen mit Kollegen im Ausland, die ich im Rahmen der Organisation of News Ombudsmen (ONO) zu treffen pflege. Kommt dazu, dass ich mich trotz des Vorrangs der Praxis stets auch für wissenschaftliche oder theoretische Aspekte des Journalismus und der Medien interessiert habe.»