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Samstag
09.11.2013

TV / Radio

«Die Schweizer», Foto © SRF

«Die Schweizer», Foto © SRF

Der SRG-Themenmonat «Die Schweizer» wurde im Vorfeld heiss diskutiert und viel kritisiert - wegen Frauenmangel, methodisch schlechter Aufarbeitung und falscher Heldenverehrung. Das sind nur einige Punkte, auf die Roger de Weck in der Diskussionssendung «Club extra» am Donnerstagabend reagieren muss.

Vorher können sich Zuschauerinnen und Zuschauer die Doku-Fiktion über Rütlischwörer Werner Stauffacher zu Gemüte führen, dessen Existenz historisch nicht ganz verbrieft ist.

Nach dem Heldenfilm diskutiert Karin Frei im kurzfristig ins Programm aufgenommenen «Club Extra» zum Thema «Wo sind die Schweizerinnen?». In der Runde sitzen nebst Freis Chef de Weck die Historikerin Elisabeth Joris, Historiker und SVP-Nationalrat Peter Keller, Publizistin Esther Girsberger, Geschichtsprofessorin Regula Schmid Keeling und Historiker Georg Kreis.

«Zur Gästerunde gehört natürlich auch einer der Verantwortlichen des Themenmonats», schreibt dazu Andrea Wenger, Mediensprecherin des SRF, dem Klein Report. «Die Wahl von Roger de Weck als Generaldirektor der SRG lag dabei auf der Hand.»

De Weck selbst hat bereits auf den Modus selektive Medienbeantwortung sowie Krisen-PR geschaltet. Er gab den «Schaffhauser Nachrichten» ein Interview und schrieb einen Artikel, der am Dienstag in der NZZ veröffentlicht wurde. Die Medienstelle der SRG verweist seltsamerweise auf die Aussagen ihres Chefs in diesen Medien.

Was waren die Kriterien, die das Schweizer Fernsehen für die Einladung der Gäste für die Gesprächsrunde, die um 21 Uhr auf SRF1 beginnt, angewandt hat? «Die Diskussionsrunde besteht aus Exponentinnen und Exponenten, die unterschiedliche Meinungen zur Filmreihe und zur Frage nach der Rolle der Frauen in der Geschichte vertreten. Die ausgewählten Gäste können nach Überzeugung der Redaktion ihre Ansichten pointiert und glaubwürdig vertreten», erklärt Wenger die Auswahl der Diskutanten durch die «Club»-Redaktion.

Interessanterweise veröffentlichte das Schweizer Radio und Fernsehen vorab Aussagen der Gäste. Der emeritierte Professor Georg Kreis holt an dieser Stelle zu einer vollen Breitseite gegen die SRG aus: «Die Ausblendung der Frauen ist nur ein Symptom für eine `grandiose` Vernachlässigung von vielem Anderem: für die grundsätzliche Weigerung, die Realitäten der Sozialgeschichte ernst zu nehmen, sowie die gestalterischen Herausforderungen, die damit verbunden wären», wird er auf den Webseiten des Schweizer Fernsehens zitiert.

«Die SRG hat einen öffentlichen Auftrag», betont Publizistin Esther Girsberger. «Das umschliesst nicht nur, dass sie alle Landesteile berücksichtigt, sondern auch verschiedene gesellschaftliche Aspekte und Gruppen. Darunter auch die Frauen, die über 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen.»

Schützenhilfe für seine Heldenfilme darf sich de Weck am Donnerstagabend wohl ausgerechnet von «Weltwoche»-Autor Peter Keller erhoffen, der die Figur des Schwyzer Landammanns Werner Stauffacher für klug hält. Das Drehbuch habe sich an der «besten Geschichte» zu orientieren und nicht an den Vorgaben einer feministischen Buchhaltung.

SRG-Direktor de Weck selber schreibt auf der SRF-Webseite, dass es keine gemeinsame Schweizer Geschichte gebe. «Haben wir Eidgenossen überhaupt eine kollektive Erinnerungskultur?», fragt er. «Für das Schweizer Radio und Fernsehen ist das erst recht ein Grund, dieses Minenfeld zu betreten.»

Für den Klein Report ist es richtig, dass die Schweiz keine kollektive Geschichte hat, sondern ein Bund von Kantonen und Sprachregionen ist. Gerade deshalb ist es unfair, den Schwerpunkt einseitig bei einer Art von Geschichtsschreibung zu setzten, die überholt ist, und gleichzeitig die Sozialgeschichte auszublenden.

Gar von einem «Minenfeld» zu sprechen, scheint übertrieben. Das Mittelalter und die frühe Neuzeit sind kaum so kontrovers, wie es beispielsweise eine Thematisierung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg wäre. Das Minenfeld ist hausgemacht, es entstand erst durch die Vernachlässigung der modernen Geschichtsschreibung.

Vernachlässigt hat der Sender auch die Rolle der Frauen in der Geschichtsschreibung der Schweiz. Das Programm wurde erst auf Druck von Aussen erweitert.

Andrea Wenger erklärt gegenüber dem Klein Report zu dieser Frage, dass die Redaktionen seit Projektstart an den Porträts prägender Schweizerinnen und Sendungen über die Rolle der Frauen in der Schweizer Geschichte gearbeitet hätten. «Dementsprechend werden eine Reihe prägender Schweizerinnen porträtiert, Emilie Kempin-Spyri, Meret Oppenheim, Sophie Taeuber-Arp, Meta von Salis, um vier zu nennen.»

Auffällig für den Klein Report ist aber, dass es diese Frauen nur ins Rahmenprogramm und nicht in die Doku-Reihe des Themenmonats schafften. Schön zeigt dies die Bewerbung des Themenmonats mit den sechs Heldenköpfen. Der Fokus auf die männlichen Helden zementiert die vereinfachte Meinung, dass Frauengeschichte Minderheitengeschichte sei und kein grösseres Publikum ansprechen könne.