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Donnerstag
30.06.2011

Die Ankündigung des Bundesrates, auf neue beziehungsweise direkte Massnahmen zur Förderung der Medienbranche zu verzichten, führte zu höchst unterschiedlichen Reaktionen in den verschiedenen medienpolitischen Lagern:

Fillippo Leutenegger, FDP-Nationalrat, Verleger und Präsident der «Aktion Medienfreiheit», begrüsst diesen Schritt zur Selbstregulierung der Medien. Bei den elektronischen Medien sei die Situation jedoch nach wie vor unbefriedigend, weil der Staat mit der Verteilung oder dem Entzug von Gebührengeldern und Konzessionen massiv in den freien Markt eingreife, so Leutenegger am Mittwoch gegenüber dem Klein Report. Das sehe man aktuell wieder einmal am Beispiel der SRG: «Das Schweizer Fernsehen verliert ganz offensichtlich Marktanteile, verdient aber dennoch mehr, weil durch die Zuwanderung die Bevölkerung wächst und damit auch die Gebührengelder.» Auch das Schweizer Fernsehen müsse am Erfolg gemessen werden, meint der ehemalige Chefredaktor des Senders.

Diametral anders die Sichtweise des Mannes, der den bundesrätlichen Bericht mit seinem Postulat erst ausgelöst hat: «Was der Bundesrat da macht, ist eine Kapitulation vor Problemen, die er als solche nicht einmal bestreitet, sondern bestätigt», so SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr gegenüber dem Klein Report. Es sei die alte Leier: «Der Markt soll es richten, und wenn er es in vier Jahren nicht gerichtet haben sollte, gehen wir wieder über die Bücher.» Dies sei der Verzicht auf Medienpolitik und auf Gestaltung, ein Kniefall vor den Grossverlegern. Die medienpolitisch aktive Linke werde erneut versuchen, das Heft in die Hand zu nehmen, so Fehr. «Aber das geht halt viel länger und ist mit viel mehr Widerstand verbunden, als wenn der Bundesrat voraus ginge.»

Der Verband Schweizer Medien kritisiert in seiner Stellungnahme erst mal die sechs medienwissenschaftlichen Studien, welche dem Bericht des Bundesrates zugrunde liegen. Von «teilweise fragwürdigen Feststellungen», «lückenhaften Daten» und «von Vorurteilen geprägten Einschätzungen» ist die Rede. «So wurde unter anderem die abnehmende Qualität in Presseerzeugnissen bemängelt, ohne festzuhalten, was unter Qualität überhaupt zu verstehen ist.»

Dann ringt sich der Verband doch noch zu einem Lob an den Bund durch, denn dessen Wahl für diejenige Variante, welche die Eigenverantwortung der Medienunternehmen am stärksten belässt, wird von Schweizer Medien vollauf begrüsst: «Ein Eingriff des Staates, über die momentanen indirekten Fördermassnahmen hinaus, würde die Freiheit der Medienhäuser bezüglich Publizistik und unternehmerischer Freiheit in ungewollter Weise beeinflussen.» Trotz der Tatsache, dass der Bundesrat bezüglich der Medien nichts unternehmen und die Medienunternehmen selber handeln lassen will, sollten die Rahmenbedingungen für die privaten Medien verbessert werden, meint der Branchenverband.

Konkret fordert Schweizer Medien, dass der Vertrieb der Tageszeitungen neu zu Grenzkosten und nicht wie bislang zu Vollkosten erfolgen soll. Nicht neu ist die Forderung, dass die gebührenfinanzierte, staatlich konzessionierte SRG im Onlinebereich nicht die privaten Medien konkurrenzieren dürfe. Weiter verlangt der Branchenverband die Befreiung von der Mehrwertsteuer, wie in anderen europäischen Ländern üblich. Und zuletzt: «Den Schweizer Medien sollte wegen den internationalen Entwicklungen ein Leistungsschutzrecht zugestanden werden.»

Ganz im Gegensatz zum Branchenverband hat die Gewerkschaft Syndicom «kein Verständnis für diesen mutlosen Entscheid des Bundesrats». Der Bericht «Pressevielfalt sichern» zeige vielmehr, dass Handlungsbedarf bestehe, heisst es in einem Communiqué vom Mittwoch. Der Bericht des Bundesamtes für Kommunikation analysiere äusserst sorgfältig die heutige Lage der Schweizer Medien und die Gefährdungen der Medienvielfalt, insbesondere der Pressevielfalt. «Mit seiner Schlussfolgerung zum Nichtstun ignoriert der Bundesrat jedoch die eigene Analyse, denn die Selbstregulierung hat im Bereich Presse versagt», so Syndicom.

Die Medien- und Unternehmenskonzentration in der Schweiz sei erschreckend weit fortgeschritten, bereits heute komme fast die Hälfte der Schweizer Tageszeitungen aus dem Verlagshaus Tamedia-Edipresse und dieser Verlag beherrsche mit den zwei anderen Grossverlagen NZZ und Ringier insgesamt rund 75 bis 80 Prozent des Tageszeitungsmarktes. Wirtschaftliche Probleme der Printmedien sehe der Bundesrat zwar; ebenso, dass sich der Strukturwandel negativ auf die Qualität der Medien, die Arbeitsbedingungen der Journalistinnen und Journalisten und die Zahl der Stellen auswirkt.

Auch die Folgen des massiven Stellenabbaus in verschiedenen Medienhäusern würden im Bericht als kritisch beurteilt. «Trotz dieser alarmierenden Befunde will der Bundesrat aber nochmals vier Jahre zuschauen.» Von den drei Optionen, mit denen sich der Bundesrat befasst hat, entscheide er sich nun für die bequemste Variante, nämlich den Status quo. Syndicom appelliert an den Bundesrat, dass dieser Entscheid revidiert und die ebenfalls erarbeitete Option, eine umfassende Analyse aus gesamtmedienpolitischer Optik, an die Hand genommen wird.