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Samstag
05.01.2013

Unter dem Titel «Der lange Weg einer Julius-Bär-CD» zeichnete der «Tages-Anzeiger» am 9. Juni 2012 den Weg einer CD nach, die dem Ringier-Verlag anonym zugespielt worden war. Die Geschichte drehte sich um das Strafverfahren gegen den «Whistleblower» Rudolf Elmer. Dessen ehemalige Arbeitgeberin - die Privatbank Julius Bär - habe im Verfahren gegen den ehemaligen «Bank-Bär-Manager» ihren Widerstand gegen die Auswertung ihrer Daten durch Ermittler endlich aufgegeben, schrieb die Zeitung.

Der Presserat, über den der Fall nun breiter publik wird, zitiert am 31. Dezember 2012 aus dem Bericht des «Tages-Anzeigers» den Sachverhalt so: «Interessant ist auch der lange Weg der CD, welche die Strafverfolger nun auswerten dürfen. Auch `Cash` hatte sich - mit Verweis auf den Quellenschutz - gegenüber der Staatsanwaltschaft geweigert, die Daten herauszugeben. Anders als Julius Bär konnte die Zeitung dazu auch nicht gezwungen werden. Offenbar betrieb der Ringier-Verlag, zu dem `Cash` gehörte, aber ein Doppelspiel», heisst es.

«Aus einem Bericht der Kantonspolizei Zürich, der dem `Tages-Anzeiger` vorliegt, geht hervor, dass die Hausanwälte des Medienhauses aus der Zürcher Kanzlei Ritter & Schwaibold die Disc an die Rechtsvertreter von Julius Bär weitergaben - und somit ihre anonyme Quelle nicht schützten», heisst es über den Sachverhalt.

Und weiter: «Die Kantonspolizei schreibt, dass sie am 9. August 2005 vom Anwalt der Bank mitgeteilt bekam, `dass tags zuvor in der Kanzlei Ritter & Schwaibold den Geschädigtenvertretern das Original der Cash-CD-ROM zur Erstellung einer Kopie überlassen wurde`. Julius Bär war dann aber nicht bereit, die Informationen an die Ermittler weiterzugeben.»

Ein paar Tage nach erscheinen des Artikels im «Tages-Anzeiger» beschwerte sich Rudolf Elmer nach Kenntnisnahme der Vorgänge am 17. Juni 2012 beim Presserat über den Ringier-Verlag. «Mit der Aushändigung der Daten-CD an die Bank Julius Bär habe der Verlag gegen das Redaktionsgeheimnis verstossen und indirekt auch die Quelle von vertraulichen Informationen preisgegeben (Ziffer 6 der `Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten`)», schreibt der Presserat.

Elmer erklärt, er habe erst durch den Artikel über die Untersuchung der Staatsanwaltschaft von Anfang 2012 von diesem Sachverhalt erfahren. Mit der Herausgabe der Daten-CD habe Ringier zudem die Ziffer 9 der «Erklärung» (Unabhängigkeit) verletzt.

Der Presserat, der sich manchmal wie das «Überobergericht» gebärdet, wies am 19. Juni 2012 Rudolf Elmer darauf hin, dass die Beschwerdefrist von sechs Monaten abgelaufen sei. Die beanstandeten Handlungen bezögen sich auf das Jahr 2005.

Nur zwei Tage später teilte «Whistleblower» Elmer dem Presserat mit, er halte trotzdem an der Beschwerde fest. Es gehe ihm nicht um eine Rüge gegen Ringier. Vielmehr liege ihm daran, dass dieser ausserordentliche Fall im Presserat diskutiert werde. Zudem sei darüber nachzudenken, dass die Beschwerdefrist von sechs Monaten in gewissen Fällen nicht praktikabel sei.

Geschlagene drei Wochen später beschloss das Präsidium des Selbstkontrollorgans dann doch noch, auf die Beschwerde einzutreten und diese ihrem Plenum zu unterbreiten. Das wiederum brauchte bis am 27. September 2012 Zeit, um das Thema auf dem Korrespondenzweg zu verabschieden, publiziert wurde es dann schlaumeierisch am 31. Dezember 2012.

In den «Erwägungen» heisst es: «Vorliegend geht es allerdings nicht um einen Medienbericht, sondern um die Weitergabe einer Daten-CD, die einer Redaktion des Ringier-Verlags anonym zugespielt wurde, womit der Verlag allenfalls das Redaktionsgeheimnis verletzt hat.»

Die Mitglieder des Presserats seien sich grundsätzlich darüber einig, dass dieser Sachverhalt berufsethisch relevant ist. «Nach Auffassung eines Teils der Presseratsmitglieder stellt sich allerdings die Frage, ob Rechtsanwälte, die im Auftrag einer Redaktion handeln, überhaupt der journalistischen Berufsethik unterstehen oder inwieweit die Redaktion für Handlungen ihrer Hausanwälte berufsethisch verantwortlich ist», so das Gremium in seiner Stellungnahme.

Und dann schreibt sich der Presserat um Kopf und Kragen: «Der Presserat kann die Frage vorliegend offen lassen, da er bereits aufgrund des Zeitablaufs nicht auf die Beschwerde eintritt.»

Für telefonische Auskünfte des Klein Reports war am 31. Dezember 2012 beim Presserat niemand zu erreichen.