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Montag
24.11.2025

Medien / Publizistik

Die Qual der Wahl für die «grösste Informationsverhinderung des Jahres 2025» haben die Mitglieder investigativ.ch... (Bild: zVg)

Die Qual der Wahl für die «grösste Informationsverhinderung des Jahres 2025» haben die Mitglieder investigativ.ch... (Bild: zVg)

Investigativ.ch hat für seinen Schmähpreis aus zahlreichen Vorschlägen eine Shortlist zusammengestellt. Die Qual der Wahl für die «grösste Informationsverhinderung des Jahres 2025» haben die Mitglieder des Recherche-Netzwerks.

Zur Auswahl steht zum Beispiel der australische Verpackungskonzern Amcor Flexibles Rorschach AG im St. Gallischen Goldach. Dort kam es zu mehreren Störfällen, bei denen Giftstoffe mit PFAS-Chemikalien in die Umwelt gelangten. 

Zudem hatte die Firma das Löschwasser nicht fachgerecht entsorgt, so dass es über einen Fluss schliesslich in den Bodensee gelangte, Europas grössten Trinkwasserspeicher. 

Doch gemäss investigativ.ch versuchte Amcor über Jahre, ihre Fehler zu vertuschen: «Nicht nur hat die Firma nie proaktiv über diesen Unfall kommuniziert. Mehr noch: Amcor hat systematisch versucht, Information zu verzögern, zu verschleiern oder kleinzureden – gegenüber Behörden, Medienschaffenden und der Öffentlichkeit.» 

Erst eine Recherche des «St. Galler Tagblatt» brachte den Fall ans Licht.

«Wir haben unsere Position zu den Ereignissen in Goldach öffentlich bekannt gegeben und unser Bedauern zum Ausdruck gebracht. Die Tatsache, dass Amcor angemessene rechtliche Schritte unternimmt, um seine Rechte und die seiner Mitarbeitenden zu schützen, steht im Einklang mit einer normativen Gesellschaft, die sich an Fakten und Rechtsstaatlichkeit orientiert», zitiert das Recherche-Netzwerk aus einer Stellungnahme von Amcor. 

Und weiter: «Dass sich Amcor rechtlich schützt, stellt keine Behinderung der Transparenz oder eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Wir unterstützen beide uneingeschränkt.»

Der zweite Kandidat für den Schmähpreis heisst Swissmedic. Anfang des Jahres hat das Schweizerische Heilmittelinstitut einzelne Artikel zu den neuen Abnehmspritzen in grossen Medienhäusern der Schweiz – darunter NZZ, Ringier und 20 Minuten – verboten. Die Artikel seien Werbung für einzelne Medikamente. 

Die betroffenen Medien und juristischen Expertinnen und Experten sähen darin eine «Form von Zensur», schreibt investivativ.ch. Sie kritisierten, dass die Behörde das Heilmittelgesetz zu weit auslege. Denn nahezu jede redaktionelle Berichterstattung über Medikamente – auch ein kritischer Artikel – könne so als Werbung gelten. Themen wie Gewichtsabnahme seien jedoch Teil der öffentlichen Diskussion.

«Das Parlament hat zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ein Verbot der Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel erlassen. Es soll Konsumentinnen und Konsumenten vor einer unsachgemässen Anwendung von Arzneimitteln schützen, die sich auf einseitige oder übertriebene Aussagen stützen», zitiert investivativ.ch aus einem Statement von Swissmedic. 

Bisher hätten verschiedene Gerichtsurteile diese Sichtweise bestätigt. «Ausgewogene, vollständige und objektive Berichterstattung ist jederzeit möglich – wenn alle Therapieoptionen genannt, auch bekannte Risiken dargestellt und keine einzelnen Produkte hervorgehoben werden.»

Der dritte Kandidat für die zweifelhafte Auszeichnung ist das Verteidigungsdepartement. Im Sommer 2025 wurde bekannt, dass das Verteidigungsdepartement (VBS) in den letzten zwei Jahren 175'000 Franken Steuergelder für externe Rechtsberatung ausgab – einzig, um sich gegen Auskunftsbegehren von Medienschaffenden zu wappnen, die sich auf das Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) beriefen. 

«Anstatt die verlangten Unterlagen offenzulegen, engagierte das Departement eine Zürcher Kanzlei, um juristisch gegen die Veröffentlichung zu argumentieren», schreibt investigativ.ch dazu. 

Hinzu komme ein «zunehmend problematischer Umgang mit der Kommunikation»: Das VBS veröffentliche «Richtigstellungen», die keine seien, sondern «Verteidigungsschriften in eigener Sache». 

«Selbst wenn Fakten nachweislich falsch dargestellt werden, löscht das Departement entsprechende Passagen oder weigert sich, Fehler einzuräumen – wie im Fall der angeblichen Fixpreise für den Kampfjet F-35», so das Recherche-Netzwerk.

Das VBS nahm zu den Vorwürfen gegenüber investigativ unter anderm wie folgt Stellung: «Wir könnten Ihnen nun im Einzelnen und für jedes Geschäft darlegen, warum wir so kommuniziert haben, wie Sie es bemängeln – dass wir zum Beispiel gesetzliche Vorgaben aus dem Beschaffungsrecht berücksichtigen und mit sensiblen Informationen zur Sicherheit unseres Landes verantwortungsvoll umgehen müssen, dass wir uns im Spannungsfeld mit dem Bedürfnis nach Informationen manchmal gegen volle Transparenz entscheiden müssen (...). Wichtiger scheint uns jedoch, dass wir die Nomination als Ansporn sehen, unsere Praxis weiter zu verbessern, die Transparenz zu stärken und den gesetzlichen Informationsauftrag weiterhin zu erfüllen.»

Der vierte Anwärter auf der Shortlist von investigativ.ch kommt aus der Romandie. Der Genfer Unternehmer Stéphane Barbier-Mueller hat zahlreiche Medien und Journalistinnen und Journalisten verklagt, teilweise mit Zahlungsbefehlen in Höhe von bis zu 620'000 Franken, um die Veröffentlichung seines Namens zu verhindern. 

Diese straf- und zivilrechtlichen Schritte richteten sich gegen Artikel, in denen seine Verwicklung in den 2022 stattgefundenen Prozess gegen den ehemaligen Direktor der Raiffeisenbank erwähnt wurde. Einige Fälle gingen bis vor Bundesgericht, wo die Medien jeweils Recht erhielten. 

Gegen die Genfer Zeitung «Le Courrier» läuft derzeit ein Verfahren, was für eine kleine Zeitung viel Ressourcen beansprucht. Das erstinstanzliche Gericht hat der Zeitung Recht gegeben.

«Stéphane Barbier-Mueller hat auf unsere Anfrage zur Stellungnahme nicht reagiert», schreibt investigativ zum vierten Kandidaten.