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Samstag
27.08.2022

TV / Radio

CH Media könne nicht verantwortlich gemacht werden für den unpolitischen Teaser einer zweiteiligen Abstimmungskampagne: Das Gericht kippt den Bakom-Entscheid. (Bild Screenshot Youtube)

CH Media könne nicht verantwortlich gemacht werden für den unpolitischen Teaser einer zweiteiligen Abstimmungskampagne: Das Gericht kippt den Bakom-Entscheid. (Bild Screenshot Youtube)

Die TV-Sender von CH Media haben 2020 nicht gegen das Verbot politischer Werbung vor Abstimmungen verstossen. Zu diesem Schluss kommt das Bundesverwaltungsgericht in einem am Freitag publizierten Urteil.

Tele Züri, 3+, 4+ und 5+ strahlten vom 11. bis 18. August 2020 im Auftrag einer «Interessengemeinschaft Pro Kultura Schweiz AG», einer vorgeblich gemeinnützigen Organisation, wiederholt einen Werbespot aus – total 172 Mal, wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) nachgezählt hat.

Zu sehen war in dem Spot ein Mädchen, das durch grüne Bergwiesen, durch eine Stadt und entlang eines Sees zur Badi lief. Dabei pries das Mädchen die Schönheiten der Natur und das Leben in «üsär Schwiiz». 

Auf dem abschliessenden Filmstill war der Schriftzug «Für den Schutz von Landschaft und Kultur der Schweiz» zu sehen.

Ab dem 18. August 2020 wurde daraufhin ein zweiter Film veröffentlicht. Diesmal im Internet, unter anderem auf dem Youtube-Kanal von SVP Nationalrat Thomas Matter, wo der Spot heute 230‘000 Aufrufe zählt. 

Der Clou: Im ersten Teil dieses neuen Films waren im Grossen und Ganzen die gleichen Bilder zu sehen wie beim TV-Spot auf den Sendern von CH Media. Im zweiten Teil kamen neue Bilder und Aussagen hinzu, die eine Bedrohung durch Zuwanderung heraufbeschworen und das nahende Ende einer einstmals heilen Welt suggerierten.

Am Schluss des Online-Films wurde empfohlen, die «Begrenzungsinitiative» der SVP («Für eine massvolle Zuwanderung») anzunehmen. Darüber abgestimmt wurde vier Wochen nach Aufschaltung des Online-Films.

Das Bakom war alarmiert und untersuchte die Werbekampagne. Im Februar 2021 kam das Amt zum Schluss, dass die CH Media TV AG mit der Ausstrahlung des TV-Werbefilms gegen das Verbot der politischen Werbung vor Abstimmungen verstossen habe.

Denn es müsse davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Ausstrahlung des TV-Werbefilms und des Online-Videos mit der Abstimmungsempfehlung um eine «konzertierte Aktion» gehandelt habe – mit der Absicht, das Werbeverbot vor Abstimmungen zu umgehen. Die werbetreibende Interessengemeinschaft Pro Kultura sei danach still und leise wieder verschwunden.

Das Bakom verlangte die Herausgabe der Werbeeinnahmen – über 24‘519 Franken – zuhanden der Bundeskasse. 

Das liess die CH Media TV AG nicht auf sich sitzen und reichte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Dieses hat den Bakom-Entscheid nun gekippt.

Die Rechtslage ist klar: Das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) verbietet den Radio- und Fernsehstationen die Ausstrahlung von politischer Werbung zu Themen, die Gegenstand einer Abstimmung sind.

Der Online-Film unterstehe nicht diesem Verbot, hält das Gericht in seinem Urteil fest. Ausserdem sei im Fernsehspot kein thematischer Zusammenhang zur Begrenzungsinitiative erkennbar. 

«Somit konnte er zum Zeitpunkt der Ausstrahlung nicht als verbotene politische Werbung erkannt werden», heisst es weiter. 

Etwas anderes wäre es, wenn die beiden Filme zeitlich überschneidend veröffentlicht worden wären, so dass die Zuschauer den Online-Film bei der Ausstrahlung des TV-Werbefilms bereits gekannt hätten.

«Die Medienunternehmen müssen sicherstellen, dass sie keine Werbung ausstrahlen, die gegen das Verbot politischer Werbung vor Abstimmungen verstösst. Kommt es zu einem Verstoss, weil ein Medienunternehmen seine Sorgfaltspflicht nicht genügend wahrnahm, kann es dafür verantwortlich gemacht werden. In diesem Fall war es jedoch auch für die Programmveranstalterin vor Publikation des Online-Films nicht möglich festzustellen, dass der TV-Spot Teil einer medienübergreifenden Abstimmungskampagne war», entlastete das Bundesverwaltungsgericht die Werbeverantwortlichen von CH Media.

Doch das war dem Medienhaus nicht genug: So nutzte es das Momentum und versuchte, eine medienpolitische Diskussion darüber anzustossen, in welchen Medien Polit-Werbung erlaubt ist und in welchen nicht. 

«In TV und Radio ist politische Werbung verboten, in den übrigen Medien erlaubt. Das ist sonderbar und nicht nachvollziehbar, zumal Internet-Plattformen wie soziale Netzwerke oder Suchmaschinen kaum Regeln im Bereich der politischen Werbung kennen», kommentierte Anne Peigné de Beaucé, Leiterin Public Affairs bei CH Media und Geschäftsführerin des Verbands Schweizer Privatfernsehen (VSPF), das Urteil aus St. Gallen am Freitagmittag.