Im Rahmen der UBI-Medienkonferenz in Basel am Freitag informierte Pierre Rieder, Leiter des Sekretariats UBI, aus aktuellem Anlass über rundfunkrechtliche Prinzipien für Wahlsendungen. Auch der Europarat hebt die Bedeutung der elektronischen Medien vor Wahlen hervor. Er hat die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, Vorkehrungen zu treffen, damit Radio und Fernsehen im Vorfeld von Wahlen besonders fair, ausgewogen und unparteiisch berichten.
Die schweizerische Radio- und Fernsehgesetzgebung hingegen kennt keine spezifischen Bestimmungen zur Berichterstattung vor Wahlen. Es sei Aufgabe der Rechtsprechung und damit namentlich der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), in ihren Entscheiden diesbezügliche Grundsätze zu formulieren, meinte Rieder. Rechtsgrundlagen für die UBI sind die Bestimmungen im Radio- und Fernsehgesetz und hierbei insbesondere das Sachgerechtigkeits- und Vielfaltsgebot.
Im Zentrum des Sachgerechtigkeitsgebots steht die Gewährleistung der freien Meinungsbildung des Publikums. Das Vielfaltsgebot besagt, dass in Programmen die Mannigfaltigkeit der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck kommen soll. Im Rahmen von sogenannten Zeitraumbeschwerden, die eine Zeitspanne von maximal drei Monaten umfassen, kann die UBI die Einhaltung des Vielfaltsgebots prüfen. Diesem sind allerdings nur konzessionierte Programme unterworfen, wie Rieder ausführte.
Bei den von der UBI für Wahlsendungen aufgestellten Prinzipien steht der Grundsatz der Chancengleichheit für die Kandidatinnen und Kandidaten beziehungsweise für die Parteien im Vordergrund. Dieser Grundsatz gelte aber nicht absolut, wie Rieder präzisierte. Auch den Bedürfnissen des Mediums und des Publikums sei Rechnung zu tragen.
Es müsse eine eigentliche Debatte über Wahlkampfthemen stattfinden können. So sei es zulässig, wenn in Diskussionssendungen nicht alle Kandidaten gleich behandelt würden, sondern nach sachlichen und transparenten Kriterien Unterschiede gemacht würden. Solche Kriterien könnten beispielsweise die Vertretung beziehungsweise Nicht-Vertretung einer Partei in Regierung und Parlament sein, wie Rieder meinte. Kandidaten oder Parteien, welche von gewissen Sendungen ausgeschlossen oder marginalisiert werden, sollten aber die Möglichkeit haben, sich in anderen Sendegefässen zu präsentieren.
Die erhöhte Sorgfaltspflicht bei Sendungen zu bevorstehenden Wahlen gelten für die gesamte Wahlkampfphase, deren Zeitraum allerdings nicht klar definiert ist. Gemäss Rechtsprechung umfasst die Zeitspanne aber mindestens zehn Wochen vor den Wahlen. Die besonderen Sorgfaltspflichten gelten nicht nur für eigentliche Wahlsendungen, sondern auch für redaktionelle Beiträge mit einem konkreten Bezug zu einer bevorstehenden Wahl.
So verletzte beispielsweise 2007 ein wohlwollendes persönliches Porträt in «Schweiz Aktuell» im Schweizer Fernsehen über Pascal Corminboeuf, Kandidat für den Freiburger Staatsrat, die rundfunkrechtlichen Informationsgrundsätze, weil es geeignet war, dessen Wahlchancen zu erhöhen, und weil von seinen Konkurrenten keine entsprechenden Beiträge gezeigt wurden.
Neben der Prüfung des Inhalts ausgestrahlter Sendungen verfügt die UBI auch über die Kompetenz, Beschwerden über den Zugang zum Programm, namentlich zu Wahlsendungen, zu beurteilen. So hat im Vorfeld der Zürcher Ständeratswahl 2007 Kathy Riklin (CVP) beanstandet, dass sie wegen ihrer geringen Wahlchancen zu einer von Radio DRS übertragenen Podiumsdiskussion nicht eingeladen wurde. Das Verfahren konnte damals einvernehmlich geregelt werden und Riklin konnte doch noch teilnehmen.
Bei entsprechenden Beschwerden müsse die UBI beurteilen, ob die Verweigerung des Zugangs zu einer Sendung rechtswidrig erfolgt sei, wie Rieder erläuterte. Sie habe dabei namentlich zu entscheiden, ob ein entsprechendes Verhalten eine Diskriminierung oder eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots darstelle. Vorsorgliche Massnahmen könne die UBI aber nicht anordnen.