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Sonntag
18.09.2011

Nach dem Bericht und neuen Äusserungen des Sekretariats der Wettbewerbskommission (Weko) zu den Kooperationsvereinbarungen im Glasfaser-Ausbau sieht sich die Swisscom gezwungen, gemeinsam mit den Partnern sämtliche bereits abgeschlossenen Verträge dahingehend zu prüfen, ob Anpassungen am Kooperationsmodell mit vertretbarem unternehmerischen Risiko umsetzbar sind. Neue - aber bereits fertig verhandelte - Kooperationsverträge können vorläufig nicht unterschrieben werden, weil das zugrunde liegende Kooperationsmodell aufgrund der neuen Ausgangslage infrage gestellt werden müsse, wie die Swisscom am Freitag mitteilte.

Das aktuelle Mehrfaser- und Kooperationsmodell ist während der letzten zwei Jahre an einem runden Tisch unter Leitung der ComCom mit allen Beteiligten entwickelt worden. Dank dieser Einigung der Branche wurde in der Schweiz eine Dynamik im Glasfaser-Ausbau ausgelöst, die in Europa ihresgleichen sucht. Das entwickelte Kooperationsmodell sollte die Grundlage für einen schnellen und volkswirtschaftlich sinnvollen Glasfaser-Ausbau in der Schweiz bilden.

In ihrem Bericht zu den Glasfaserkooperationen in Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich kritisierte das Sekretariat der Weko verschiedene Vertragsklauseln, welche elementare Eckpunkte des Kooperationsmodells sind. Im Bericht und aufgrund neuer Äusserungen des Sekretariats der Weko wird deutlich, dass das Sekretariat die Kooperationen ausschliesslich streng rechtlich beurteilen wird, ohne die reale Marktdynamik abzuwarten. Die Swisscom kritisiert, dass das Sekretariat dabei eine unrealistische Marktabgrenzung vornehme, indem sie das Glasfasernetz isoliert und nicht als Teil des gesamten Breitbandmarktes betrachtet, in welchem verschiedenste Technologien für einen intensiven Infrastrukturwettbewerb sorgen. «Mit seiner Beurteilung verbietet das Sekretariat der Weko faktisch die Kooperationen in der aktuellen Form», schreibt die Swisscom in einem Kommuniqué vom Freitag.

Aufgrund dieser Einschätzung des Sekretariats der Weko sieht sich die Swisscom gezwungen, gemeinsam mit ihren Partnern zu verhandeln, ob das Kooperationsmodell und die abgeschlossenen Verträge so angepasst werden können, dass sie noch mit vertretbarem unternehmerischen Risiko umsetzbar sind. Andernfalls kann die Swisscom einen Alleinbau nicht ausschliessen. Noch nicht unterschriebene Verträge mit einem Investitionsvolumen von  800 Millionen Franken müssen deshalb aufgrund der notwendigen Neuverhandlungen zurzeit sistiert werden.

Insgesamt umfassen die Kooperationsverträge ein Investitionsvolumen von 1,7 Milliarden Franken. Die bereits unterzeichneten Verträge erlauben eine Erschliessung von rund 16 Prozent der Schweizer Wohnungen und Geschäfte mit Glasfaser, die noch offenen Kooperationen würden zusätzlich rund 14 Prozent beisteuern.

ICTswitzerland, der Dachverband der Informatik- und Telekombranche, ist über den Investitionsstopp beim Bau der Glasfasernetze äusserst besorgt. Diese «Datenautobahnen der Zukunft» seien sowohl ein Rückgrat für die ICT-Branche als auch ein volkswirtschaftlich wichtiger Faktor, nicht zuletzt für die Arbeitsplätze in der Schweiz, schreibt ICT in einem Kommuniqué vom Freitag. Der Verband erwartet, dass die Wettbewerbskommission Hand zu einer Lösung bietet, «welche den gegenwärtig unhaltbaren Zustand deblockiert und den investitionsbereiten Unternehmen die angestrebten Kooperationsmodelle ohne Regulierungsrisiken ermöglichen».