Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber beklagte die zunehmende Fehlentwicklung im TV. Live übertragene Schönheitsoperationen und Mobbing-Shows trügen «zur Desorientierung bei Kindern und Jugendlichen bei», sagte der CSU-Politiker am Mittwoch in München als Hauptredner des grössten Kongresses der deutschen Medienbranche. «Leider haben wir gerade in der letzten Woche wieder eine besonders bedrückende Fehlleistung im Bereich der Unterhaltung erlebt», verwies Stoiber auf den Skandal bei der Dauer-Show «Big Brother», wo ein Teilnehmer bei einer Live-Übertragung auf dem Abokanal Premiere herabsetzende Frauen- und Judenwitze erzählen konnte. «Es gibt doch so viele kreative Köpfe bei den privaten Sendern», betonte der Ministerpräsident.«Es will mir nicht einleuchten, dass denen nicht auch noch anderes einfällt als Menschen in einem Camp oder in einem Haus zusammenzusperren und darauf zu spekulieren, dass irgendetwas Sensationelles passiert.»
Zugleich wies Stoiber die Kritik der öffentlich-rechtlichen Anstalten an der Beschränkung der Rundfunkgebühren-Erhöhung zurück. Die Einnahmen der Rundfunkanstalten würden erhöht und nicht wie etwa in zahlreichen Sozialbereichen gesenkt. Es müsse diskutiert werden, ob über 60 Radioprogramme und 22 Fernsehprogramme der öffentlich-rechtlichen Sender «nicht eher Überversorgung als Grundversorgung sind», fügte Stoiber hinzu.
Der Regierungschef sprach sich erneut für ein werbefreies Modell für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. So erziele die BBC mit wesentlich weniger Finanzmitteln hohe Marktanteile und beschäftige trotz um 20% niedrigerer Gebühreneinnahmen mehr Menschen als die ARD. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten ihre Rechte an Sportereignissen stärker an die privaten Konkurrenten abgeben: «Lieber ein paar anspruchsvolle Fernsehfilme mehr und dafür nicht um jeden Preis um Sportrechte kämpfen.»
Der Intendant des Bayerischen Rundfunk, Thomas Gruber, wies die Kritik zurück. «Wir bieten nicht um jeden Preis.» So hätten ARD und ZDF sich weder um die Formel 1, die Fussball-Champions-League noch für Basketball beworben. Auch ZDF-Intendant Markus Schächter betonte, dass etwa die Übertragungsrechte für die Fussball-Europameisterschaft niemand anderes gewollt habe. Auch hätten ARD und ZDF mit umfangreichen Live-Übertragungen geholfen, bestimmte Wintersportarten wie Biathlon populär zu machen.
Donnerstag
21.10.2004