Im Nationalrat verspürt die Mehrheit ein Unbehagen über die Situation der Medien in der Schweiz. Sie hiess deshalb am Mittwoch eine Motion gut, mit der sie die staats- und demokratiepolitischen Aufgaben der Medien sichern will. Was ist denn überhaupt das Problem? Roger Blum kommentiert für den Klein Report.
Mit 88 gegen 77 Stimmen beauftragte der Nationalrat den Bundesrat, eine Gesamtschau der Medienlandschaft vorzunehmen, ein Förderkonzept zur Stärkung der staats- und demokratiepolitischen Aufgaben der Medien zu erarbeiten und innert zweier Jahre rechtliche Grundlagen für die indirekte und direkte Medienförderung vorzulegen. Damit war die staatspolitische Kommission mit ihrer Motion fürs Erste - und gegen den Willen des Bundesrates - erfolgreich. Doch ist sie noch nicht am Ziel.
Denn jetzt muss auch der Ständerat der Motion noch zustimmen. Falls er das tut, muss der Bundesrat aktiv werden und Lösungen skizzieren, beispielsweise einen Verfassungsartikel zur Medienförderung vorlegen. Dann müssen beide Kammern des Parlamentes erneut Farbe bekennen. Und nur wenn dann Volk und Stände einen solchen Verfassungsartikel annehmen, geht es um die konkrete Umsetzung, also um die Wurst. Die politisch Verantwortlichen werden daher noch oft über die Medien debattieren müssen.
Warum tun sie es überhaupt, immer wieder, seit bald 50 Jahren? Weil die Medien in einer Demokratie - und gerade in einer direkten Demokratie - eine zentrale Rolle spielen, denn ohne sie würde die Demokratie schlicht nicht funktionieren. Und weil nicht mehr alle Medien den dafür nötigen öffentlichen Dienst, den entsprechenden «Service public», leisten. Die direkte Demokratie kann nur spielen, wenn es Medien gibt, die den politischen Diskurs über die Belange der Gemeinden, der Kantone, des Bundes und der internationalen Organisationen so führen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger frei eine eigene Meinung bilden können.
Dabei fehlt es heute nicht an Vielfalt. Im Internet findet man zu jedem Thema Informationen und Meinungen. Es gibt mehr Radio- und Fernsehprogramme denn je. Was aber eben nicht querbeet vorhanden ist, sind strukturierte Debatten in den Medien, die Zusammenhänge aufzeigen, Hintergründe aufhellen, Interessenverflechtungen aufdecken, kurz: die die Stimmberechtigten zum kompetenten «homines politici», zu mündigen Staatsbürgern, machen.
Wegen dieses Mangels verspürt die Mehrheit des Nationalrates ein Unbehagen, das sie mithilfe des Staates beheben will. Die überwiesene Motion ist ein Signal dieses Unbehagens. Das Unbehagen verspürt auch der Bundesrat, nur will er nicht jetzt handeln, sondern erst, wenn sich die Branche nach einer gewissen Frist als unfähig erweisen sollte, den Mangel selber zu beheben. Doch auch die Mehrheit scheint sich nicht vollends einig zu sein. Die einen, wie Andreas Gross (SP), haben klare Vorstellungen, wie die Medien mit öffentlichen Mitteln gefördert werden könnten. Die anderen, wie Gerhard Pfister (CVP), wollen erst anhand einer Auslegeordnung des Bundesrates entscheiden, ob sich der Bund überhaupt engagieren soll. Die Minderheit, im Nationalrat vor allem aus SVP und FDP bestehend, will an der bisherigen Regelung nichts ändern.
Das Problem bleibt vertrackt: Der Staat, gegen den sich die Kritik- und Kontrollfunktion der Medien unter anderem richtet, soll die Medien nicht derart mitfinanzieren, dass sie von ihm abhängig werden. Medienqualität stellt sich umgekehrt nicht einfach durch wirtschaftlichen Wettbewerb ein: Der Markt der Medien funktioniert anders als der Getränkemarkt oder der Automarkt. Nicht ohne Grund finanzieren Länder in West- und Nordeuropa, aber auch Kanada, Australien oder Neuseeland wichtige Radio- und Fernsehsender mit staatlich eingetriebenen Gebühren.
Was wir brauchen, ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen staatlicher Förderung und staatlicher Zurückhaltung. Am elegantesten wäre es, wenn der Staat die Aus- und Weiterbildung der Journalistinnen und Journalisten finanzierte. Dann hätten wir im Medienbereich die gleiche Lösung wie bei den Hochschulen: Der Staat finanziert die Universitäten und - von einigen Ausnahmen abgesehen - auch die Fachhochschulen, aber er belässt ihnen die volle Lehr- und Forschungsfreiheit. Darum wäre es schön, man könnte eines Tages feststellen: Der Staat finanziert die Aus- und Weiterbildung der Medienschaffenden, tangiert aber nicht deren Recherchier- und Kommentarfreiheit und deren Kritik- und Kontrollfunktion.