Die Schweizer Film- und Kinozeitschrift «Filmbulletin» hat sich mitten in der Corona-Krise einem kompletten Relaunch unterzogen und erscheint in einem neuen Kleid.
Im Interview mit dem Klein Report erklärt das Leitungsduo mit Selina Hangartner und Michael Kuratli, was vom überarbeiteten «Filmbulletin» zu erwarten ist, wie die Zeitschrift das Corona-Jahr gemeistert hat und wie die Zukunft des Schweizer Kinos aussehen könnte.
Der Klein Report konnte bereits durch die neu gestaltete Printausgabe blättern. Was genau umfasst der Relaunch?
Michael Kuratli: «Wir haben das ganze Heft zusammen mit Büro Haeberli umgestaltet und ausgebaut: Wir erscheinen statt achtmal neu sechsmal jährlich, drucken dafür aber fast hundert statt wie bisher 64 Seiten. Das erlaubt uns, mehr und vielfältigere Textformate wie zum Beispiel längere Porträts oder vertiefende Schwerpunkte mit Essays und Reportagen zu bringen. Das macht uns einmalig im deutschsprachigen Raum.»
Selina Hangartner: «Uns war es ein Bedürfnis, unsere Liebe und Leidenschaft für Kino und Film mehr Platz zu geben. Die grafische Auffrischung und das überarbeitete Redaktionskonzept erfüllen diesen Anspruch voll und ganz.»
Neben der Printausgabe ist auch eine nagelneue Internetpräsenz geplant. Welche Änderungen wird diese mit sich bringen?
Kuratli: «Die neue Webseite ist Teil unseres Gesamtumbaus. Im Moment ist unsere Webseite relativ statisch und kunstvoll, bietet aber wenig Orientierung. Im Prinzip ist es ein Update von einer schönen, aber simplen Seite zu einer moderneren Webseite, die den gesteigerten Ansprüchen an unseren Webauftritt genügt.»
Hangartner: «Auf der neuen Webseite werden wir unser exklusiv digitales Angebot und unseren Abo-Service ausbauen. Dazu kommt, dass wir vermehrt Anfragen von Leserinnen und Leser erhalten haben, die das ‚Filmbulletin’ lieber digital lesen wollen. Das wird mit einem neuen Digitalabo möglich sein.»
Vor ziemlich genau einem Jahr habt ihr die Leitung des «Filmbulletins» übernommen. Inwiefern ist der Relaunch im Print und die geplante neue Webseite das Resultat des ersten gemeinsamen Jahres?
Hangartner: «Wir sind beide mit ähnlichen Visionen gestartet. Wir waren beide motiviert, das Magazin in die Zukunft zu tragen und unsere Lust an Journalismus und Kino hier ausleben zu können. Diese Vision ist geblieben und hat uns geholfen, den Relaunch in Angriff zu nehmen. Und jetzt sitzen wir stolz vor diesem neuen Blatt, das wir aus dieser Vision kreiert haben.»
Kuratli: «Wir haben beide das Potenzial des Magazins gesehen, als wir uns unabhängig voneinander beworben haben. Insofern hat uns die Herausgeberin, die Stiftung Filmbulletin, gut ‚gematcht’. Mit dem neuen Layout konnten wir nun unsere Ideen und Vorstellungen richtig einbringen.»
Rückblickend waren die letzten zwölf Monate ja bekanntlich von der Corona-Pandemie geprägt. Zahlreiche Kinos sind in ihrer Existenz bedroht, die Filmbranche wurde von den Restriktionen sehr hart getroffen. Wie hat das «Filmbulletin» die Corona-Krise bisher gemeistert?
Hangartner: «Im Vergleich zu den Kinos sind wir zum Glück mit einem blauen Auge davongekommen. Uns geht es eigentlich relativ gut – man kann ja zuhause sein und uns lesen. Wir haben auch nicht merklich Abonnements verloren. Im Anzeigengeschäft hat uns der Einbruch von Inseraten getroffen, den Verlust konnten wir aber mithilfe von Entschädigungen des Kantons ausgleichen. Ungewöhnlich war, dass wir fast zum Stellenantritt ins Homeoffice mussten.»
Kuratli: «Wir haben uns eigentlich vorgenommen, mehr Veranstaltungen durchzuführen, egal ob regelmässige Heftvernissagen oder Podiumsdiskussionen mit Kinos. Das konnten wir wegen Corona natürlich nicht machen. Aber wir hoffen darauf, dass das bald wieder möglich sein wird. Wir wollen als ‚Filmbulletin’ auch fassbar und im Austausch mit der Branche und unseren Leserinnen und Lesern sein.»
Und wie habt ihr die Corona-Krise in der Berichterstattung abgebildet?
Kuratli: «In mehreren Artikeln haben wir von den Schwierigkeiten, in denen beispielsweise die Kinos stecken, berichtet. Das hat uns auch eine neu politische Textsorte gegeben, die es so vorher im ‚Filmbulletin’ nicht gegeben hat. In diese Richtung wollten wir ohnehin gehen und Corona wirkte hier einmal mehr als Katalysator.»
Beim «Filmbulletin» verfolgt ihr die hiesige Filmbranche auf Schritt und Tritt. Wenn ihr eine Prognose wagt: Was bedeutet Corona für die Zukunft der Kinos in der Schweiz?
Hangartner: «Sicher ist, dass das Angebot der Streamingportale für die Zuschauerinnen und Zuschauer wichtiger wird. Und apropos: die geplante Revision des Filmgesetzes, die ‚Lex Netflix’, behalten wir auch im Auge. Generell sollte sich die Schweizer Politik überlegen, wie Produktionen gefördert werden und man im internationalen Wettbewerb den eigenen Platz findet. Am meisten bibbern wir aber momentan um die Kinobranche. Für kleine unabhängige Kinos ist das dystopische Szenario in der Luft, dass sie von grösseren Medienanbieter geschluckt werden könnten.»
Nach dem Relaunch ist vor dem Ausbau: Wie geht es mit dem «Filmbulletin» weiter?
Hangartner: «Also ein personeller Ausbau ist noch Zukunftsmusik, aber wünschenswert. Ob das möglich ist, wird nicht zuletzt die Post-Corona-Zeit zeigen.»
Kuratli: «Die Hoffnung ist natürlich schon, dass wir wachsen. In Deutschland beispielsweise zählen wir zurzeit 400 Abonnentinnen und Abonnenten. Dort wollen wir auf jeden Fall noch ausbauen. Und wenn wir wachsen, brauchen wir auch mehr Woman- oder Manpower. Im Moment lastet alle Arbeit auf den Schultern von drei Leuten.»
Hangartner: «Grösser werden ist immer besser.»