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Dienstag
12.10.2004

Ein Kommentar bewegt sich in den Grenzen des berufsethisch Zulässigen, wenn sowohl die darin enthaltenen Wertungen wie die diesen zugrunde liegenden Fakten für das Publikum erkennbar sind. Zudem kann aus dem Anhörungsprinzip nicht abgeleitet werden, dass die kritische Bewertung von Fakten, die vom Betroffenen zuvor selber an die Öffentlichkeit getragen worden sind, zwingend dessen vorgängige Anhörung erfordert. An diese Grundsätze erinnert der Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme.

Im Februar und März 2004 hatten die «WochenZeitung» und «Tachles» zwei Berichte veröffentlicht, in denen sie die Broschüre von Shraga Elam «Paul Grüninger - Held oder korrupter Polizist und Nazi-Agent?» aus der Schriftenreihe von Pro Libertate und deren «lobende» Besprechung in der «NZZ am Sonntag» scharf kritisierten. Shraga Elam beschwerte sich daraufhin beim Presserat über die oberflächliche «Verunglimpfung» seiner Schrift und die von beiden Medien unterlassene Anhörung. Beide Redaktionen wiesen die Beschwerde als unbegründet zurück.

Der Presserat stellt nach Prüfung der beanstandeten Medienberichte fest, die darin enthaltenen Wertungen seien für das Publikum ebenso erkennbar wie die diesen zugrunde-liegenden Fakten. Der Presserat könne sich auch in diesem Fall nicht zu historischen Kontroversen äussern. Zudem scheine es nicht verwunderlich, wenn die von Shraga Elam veröffentlichte provokative Kritik an der Arbeit der Bergier-Kommission und an den Personen, die sich für die Rehabilitation von Paul Grüninger engagiert hatten, von den Betroffenen ebenso scharf erwidert werde. Weiter gelangt das berufsethische Gremium zum Schluss, dass die Bezeichnung eines Autors als Geschichtsrevisionist von einem unbefangenen Publikum nicht mit dem Vorwurf der Holocaustleugnung gleichgesetzt wird. Ebensowenig sei schliesslich die Bezeichnung von Shraga Elam als Hobbyjournalist und Amateurhistoriker im konkreten Fall als sachlich ungerechtfertigte Anschuldigung zu werten.