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Sonntag
10.10.2004

Der ungarische Schriftsteller Péter Esterházy hat seine Landsleute bei der Entgegennahme des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am Sonntag zur Vergangenheitsbewältigung aufgefordert. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte sei jedoch eine «europäische Pflichtarbeit». Es sei kein Zufall, dass es für Vergangenheitsbewältigung im Ungarischen kein Wort gebe. «Das Wort fehlt, weil die Tätigkeit fehlt», kritisierte der 54-Jährige.

Esterházy wurde für die literarische Begleitung des Wandels in Osteuropa ausgezeichnet. Deutschland ist nach Ansicht von Esterházy bei der «Nationalerinnerung» viel weiter: «Sie nennt die eigene Verantwortung beim Namen.» Die anderen europäischen Nationen hätten es sich dagegen angewöhnt, die eigenen Missetaten durch die deutschen Untaten zu verdecken. «Der Hass gegen die Deutschen ist Europas Fundament in der Nachkriegszeit.»

Der Schriftsteller stammt aus einer Adelsfamilie, deren Wurzeln ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Seine Vorfahren bestimmten als Politiker, Militärs und Kulturförderer den Weg Ungarns mit. Sein Grossvater war Anfang des vergangenen Jahrhunderts Ministerpräsident. Der Herausgeber der Wochenzeitung «Die Zeit» und frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann würdigte in seiner Laudatio Esterházy als «schrecklichen Unruhestifter» und «Sprengmeister aller Vergangenheitsformen.» Naumann betonte, Esterházy sei gegen jede Form des falschen Friedens: «Ein Friedensstifter sind sie nicht.»