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Dienstag
05.01.2010

Romanus Otte, General Manager der Welt Online, gab am Dienstag in Zürich an der Dreikönigstagung des Medieninstituts unter dem Motto «Online first» einen Einblick in die Entwicklung des gemeinsamen Newsrooms für sechs Redaktionen in den letzten drei Jahren. Bereits nach dem Platzen der ersten New-Economy-Blase wurden 2002/2003 die Redaktionen der «Welt» und der «Berliner Morgenpost» zusammengelegt - trotz viel Kritik und gegen manche Erwartungen hätten beide Zeitungen allerdings davon wirtschaftlich und publizistisch profitiert.

Der nächste grosse Schritt kam noch vor der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise: Im Jahr 2006 wurde eine grosse Redaktion für die Tageszeitungen «Welt», «Welt kompakt», «Welt am Sonntag», «Berliner Morgenpost» sowie die beiden Online-Redaktionen der «Welt» und der «Morgenpost» geschaffen. Ein Newsroom für 60 Personen ohne sichtbare Hierarchie, vorwiegend nach den täglich aktuellen Themen gegliedert.

Otte schilderte sehr offen, wie anspruchsvoll die Aufgabe für die Redaktoren war: «Sie durften nicht mehr in Zeitungsseiten oder gar in Ressorts denken. Dafür mussten sie sich daran gewöhnen, dass jede fertige Geschichte des Printbereichs von den Onlinern übernommen werden konnte.» Dieses Umdenken sei schwierig gewesen, denn im Newsroom musste ein neues Selbstverständnis entwickelt werden, unabhängig vom Medium.

Heute, nach drei Jahren, bewähre sich diese neue Organisationsform, in der «integrierten» Redaktion stelle jede Kollegin, jeder Kollege sehr unterschiedliche journalistische Produkte her. Selbstverständlich gebe es immer Konflikte und Diskussionen, sie verliefen aber immer ähnlich und beruhten auf völlig normalen Interessengegensätzen: für eine überregionale Zeitung wie die «Welt» sei die Verschuldung des Bundes natürlich ein ganz anderes Thema als für die «lokale» «Morgenpost».

«Online first»: Dieses Motto habe man sich auf die Fahne geschrieben, im Vordergrund stehe jeweils die Frage, «wie müssen wir das Thema `Opel` online schildern, wie für die `Welt`? Wie erreichen wir die Leser hier, wie erreichen wir sie dort?» Online first bedeute allerdings nicht, dass der journalistische Inhalt verschenkt werden muss; grundsätzlich gehe es dabei um eine Organisationsform, und die sei neutral: «Dieser Newsroom ist keine Kathedrale, er ist eine pragmatische Lösung für praktische Probleme.»

Eine Verbesserung des Produkts und eine Erhöhung der Reichweite waren die Ziele, und tatsächlich seien die Online-Marktanteile im Vergleich zu Spiegel Online und Sueddeutsche.de erheblich gesteigert worden. Der wirtschaftliche Erfolg sei dagegen ausgeblieben, die Werbeeinnahmen hätten die Erwartungen nicht erfüllt. Als Voraussetzung für die «Monetarisierung» fehle bisher ein vernünftiges Bezahlsystem für die Inhalte im Web.