Man weiss, es ist nicht leicht, ein Schweizer Filmer zu sein. Erst recht nicht, wenn man andere Wege geht und keine Mainstream-Themen angeht. Der Nidwaldner Filmer Urs Odermatt hat für seinen Spielfilm nach eigenem Theaterstück ein eigenes Finanzierungskonzept mit Produzentin Jasmin Morgan entwickelt.
Das Gesellschaftsdrama «Der böse Onkel» trägt sich selber «als innovatives und völlig selbstbestimmtes Kino» (Jasmin Morgan). «Auf aussergewöhnliche Weise getragen von der Begeisterung der Macher, die ihre Zeit, ihre Erfahrung, ihre Professionalität oder ihre Sachleistung zu hundert Prozent in dieses Projekt investieren.»
Gekostet hat das künstlerische Unternehmen 68 000 Franken! Honorare gibt es erst, wenn der Film auch Geld einspielt. An den Solothurner Filmtagen war am späten Samstagabend Schweizer Premiere (nach ersten Aufführungen an den Hofer Filmtagen 2011). Die Geschichte vom «Bösen Onkel» handelt von einem Sportlehrer, der Schülerinnen sexuell belästigt haben soll. Trix Brunner, eine «Zu`greiste» im Aargau und Mutter der Tochter, welche vom Lehrer angefasst worden sein soll, stellt den ehemaligen Spitzensportler und Olympiateilnehmer an den Pranger.
Die «böse» Kino-Moritat setzt sich über dramaturgische Grenzen hinweg, bricht Tabus, spart nicht mit nackter Haut, visuellen Applikationen und Hieben auf eine kleinbürgerliche (Aargauer) Gesellschaft. Da prasselte auf die Zuschauer - trotz Pressewirbel im Vorfeld der Aufführung waren nur einige hundert Leute zur späten Stunde ins Landhaus gekommen - ein Bombardement von Bildern und Worten nieder.
Wie in der griechischen Tragödie werden Monologe und Schmähreden wie ein kommentierender Chor eingesetzt. Bilder und Worte wiederholen sich. Es geht um sexuelle Fantasien, Pädophilie, Vorurteile und kleingeistige Moral, aber auch um Verletztheit, Neid und Selbstfindung. Das ist radikal rasant inszeniert (Schwerpunkt Aare und Windisch, wo der Filmautor und -regisseur Odermatt auch lebt) und geschnitten.
«Der böse Onkel», der so böse ist wie die Gesellschaft, in der er lebt, ist übervoll mit Assoziationen, Anspielungen, Kreuz- und Querdeutungen und Verlinkungen, analysiert Rolf Breiner, Filmexperte des Klein Reports. Der Zuschauer wird gefordert und ist nicht selten überfordert. Die Bild- und Wortkaskaden überlagern sich, vibrieren, aber irritieren auch und verlieren sich letztlich wie Kreise im Wasser.