Der Fall schwebt schon seit rund einem Monat wie ein Damoklesschwert über dem Schweizer Magazin «Weltwoche» und dessen Online-Ausgabe. Nun hebt auch die «Neue Zürcher Zeitung» den Mahnfinger.
Es brauchte die hochrenommierte «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ), um die Schweizer Medienwelt wachzurütteln. Schon in der ersten April-Woche hatte das Blatt auf einen auf der Webseite der «Weltwoche» am 3. April publizierten Artikel mit dem Titel «Was geschah wirklich in Butscha? Über Fakten und die Widersprüche des Westens» hingewiesen.
Es war ein Text, den die «Weltwoche» integral vom russischen Propaganda-Organ RT (Russia Today) übernommen hatte. Darin wurde das Massaker in der nordukrainischen Stadt Butscha infrage gestellt. Als Autor zeichnete ein gewisser Petr Lawrenin. Nun nahm die FAZ den Fall nochmals auf – auch weil die «Weltwoche», die auch eine deutsche Internet-Domain besitzt, mutmasslich gegen deutsches Recht verstossen hat. Dass der Text nach wenigen Tagen von der «Weltwoche»-Seite verschwand, ist ein Indiz, das die FAZ-These stützt.
Im besagten Artikel wurde behauptet, die Vorfälle in Butscha seien nie von einer unabhängigen Instanz untersucht worden. Das aber ist falsch. Die FAZ führt prominente Medien und internationale Organisationen wie den Internationalen Strafgerichtshof auf, welche die Folter, die Vergewaltigungen und Hinrichtungen ukrainischer Zivilisten durch russische Soldaten nachweisen konnten. Auch die NZZ schreibt in ihrer Ausgabe vom Freitag (2. Mai) deutsch und deutlich: «Ungefilterte russische Propaganda – die ’Weltwoche’ publiziert einen Text von ’Russia Today’».
Derweil begab sich die FAZ weiter auf Spurensuche – und stiess auf eine Mauer des Schweigens. Fragen an die «Weltwoche» blieben unbeantwortet. Und auch die Existenz von Petr Lawrenin ist nicht bewiesen. RT weist ihn zwar als in Odessa geborenen Experten für die Ukraine aus. Die FAZ aber hält fest: Es gebe weder eine Autorenseite noch ein Profil. Auch sonst finde man im Web keine Hinweise darauf, dass es sich um eine reale Person handle.
Auch der Klein Report nahm sich des Falles an. Vor rund vier Wochen schickte er der «Weltwoche» einen umfangreichen Fragenkatalog und wollte wissen, in welchem Vertragsverhältnis der Autor des besagten Butscha-Artikels, Petr Lawrenin, mit der «Weltwoche» stehe und ob die «Weltwoche» regelmässig Texte bringe, die auf «Russia Today» publiziert werden.
Weiter fragte der Klein Report nach den Gründen, weshalb der Artikel vom Netz genommen worden sei, und ob bei der «Weltwoche» auch ukrainenahe Quellen zu Wort kommen würden.
Auf Antworten wartet der Klein Report bis heute. Oder mit anderen Worten: Selten war Schweigen so lautstark wie in diesem Fall bei der «Weltwoche».