Content:

Mittwoch
14.03.2012

Mit ihrer Berichterstattung über den Anhänger des FC Zürich, der sich in Rom mit einer Petarde verletzt hatte, haben «Blick» und  «Blick.ch» «den Betroffenen in unzulässiger Art und Weise an den Pranger gestellt», wie der Presserat am Dienstag urteilte. Das Gremium hiess deshalb die Beschwerde eines Lesers teilweise gut.

Am 3. November 2011 spielte der FC Zürich im Rahmen der Europa-League in Rom gegen Lazio Rom. Kurz vor Beginn der Partie explodierte im Sektor der Zürcher Fans eine Knallpetarde in den Händen eines Fans. Dem Mann wurden drei Finger abgerissen, zwei weitere Personen verletzt. Am 7. November 2011 starteten «Blick», «Blick.ch» und «Blick am Abend» eine Artikelserie über den Verunfallten. Der erste Beitrag erschien unter dem Titel «Entlarvt! Das ist der Petarden-Trottel von Rom» in «Blick» und «Blick.ch». Weitere Artikel trugen Titel wie «Petarden-Trottel. Er arbeitet beim Film» oder «Petarden-Trottel kriegt keine IV».

Am 10. November 2011 beschwerte sich X. beim Presserat über die Artikelserie «Petarden-Trottel» in «Blick», «Blick am Abend» und «Blick.ch». Mit den vom 7. bis am 10. November veröffentlichten Berichten habe die «Blick»-Redaktion gegen die Ziffern 7
(Privatsphäre) und 8 (Menschenwürde/Opferschutz) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen. In diesem Zusammenhang sei auch die wiederholte Verwendung der Bezeichnung des Unfallopfers als «Petarden-Trottel» in Erwägung zu ziehen. «Blick» verzichte auf eine Stellungnahme.

Der Presserat kam zwar zum Schluss, dass die Berichterstattung «über die unerfreulichen Seiten der Fussball-Fankultur, insbesondere auch über die Vorfälle rund um das Europa-League-Spiel des FC Zürich in Rom von öffentlichem Interesse» sei. «Dazu musste der Betroffene aber nicht ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und an den Pranger gestellt werden», hielt der Presserat fest. Zwar möge es zutreffen, dass bei separater Betrachtung der vier Berichte nicht jeder einzelne davon eine Identifizierung zulasse.

Insbesondere der Artikel vom 9. November («Was für eine Kinderstube hat der Petarden-Trottel? Sein Vater ist Schulpsychologe!») enthalte mit der Angabe von Vornamen und der Initiale des Nachnamens, dem mit einem schwarzen Balken abgedeckten Bild des Verunfallten, dem Wohnort, dem Bild des Hauses, in dem die Wohngemeinschaft wohnt, sowie dem Beruf des Vaters, der Angabe des Vornamens des Vaters und dem Hinweis, dass dieser an zwei Sekundarschulen im Kanton Zürich arbeitet, eine Vielzahl von Identifikationsmerkmalen, die eine Identifikation ausserhalb desjenigen Kreises von Personen als wahrscheinlich erscheinen lässt, die im Sinne der Richtlinie 7.2 ausschliesslich durch die Medien informiert werden.

«Über die eine Identifizierung ermöglichende Berichterstattung hinaus erscheinen zudem die Recherchemethoden von `Blick` problematisch», so der Presserat. Die Art und Weise, mit der «Blick» systematisch das private Umfeld des Verunfallten durchleuchtet und WG-Kollegen, Arbeitgeber und Eltern kontaktiert habe, sei «in der Summe unverhältnismässig» und übersteige nach Auffassung des Presserats «das berufsethisch Zulässige».

Die Bezeichnung «Petarden-Trottel» sei dagegen zwar für den Betroffenen hart, sie bewege sich aber innerhalb der Kommentarfreiheit, der ein grosser Freiraum zuzugestehen sei. «Der Verunfallte wird weder durch diese Bezeichnung noch durch den Hinweis auf die möglicherweise drastischen wirtschaftlichen und sozialen Folgen seines Verhaltens in seinem Menschsein herabgesetzt», argumentierte der Presserat.