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Mittwoch
09.11.2005

Mit der Veröffentlichung des Stimmverhaltens im Berner Regierungsrat haben sich zwei Journalisten der «Berner Zeitung» (BZ) der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen schuldig gemacht. Bestraft werden sie dafür aber nicht. Die BZ hatte im Januar 2004 berichtet, dass die Kantonsregierung im Verhältnis von 4:3 Stimmen einen Entscheid zu einem brisanten Finanzgeschäft gefällt habe. Beim Beschluss, auf einen Gegenvorschlag zur damals hängigen Volksinitiative für tiefere Kantonssteuern zu verzichten, seien die drei SVP-Regierungsräte von SP und FDP überstimmt worden.

Auf Grund einer anonymen Anzeige, die sich ursprünglich gegen SVP-Finanzdirektor Urs Gasche gerichtet hatte, mussten sich die BZ-Journalisten am Mittwoch vor einem Berner Strafeinzelrichter verantworten. Vorgeworfen wurde ihnen ein Verstosses gegen Artikel 293 StGB. Dieser bedroht Personen mit Haft oder Busse, die amtliche geheime Verhandlungen unberechtigterweise veröffentlichen. Die Journalisten beriefen sich vor Gericht auf ihr Aussageverweigerungsrecht und verschwiegen ihre Quellen. Von Gasche hätten sie die Informationen nicht erhalten. Die Verteidigung argumentierte, eine Verurteilung stelle eine ungerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit dar.

Das Stimmverhältnis sei schon vor Erscheinen des BZ-Artikels einem grösseren Personenkreis im Umfeld der Regierung bekannt gewesen. Weil die Regierungsräte vom Volk gewählt würden, gebe es zudem ein öffentliches Interesse an der Offenlegung ihres Stimmverhaltens. Das Gericht kam mit Verweis auf die bundegerichtliche Rechtsprechung zu einem Schuldspruch. Zwar hätten die Journalisten nicht unlauter gehandelt. Das Parlament habe Artikel 293 aber im Gesetz belassen, um die Meinungsbildung in den Behörden zu schützen.

Klar sei auch die Bestimmung im kantonalen Informationsgesetz, wonach Regierungssitzungen nicht öffentlich sind. Das in der Kantonsverfassung verankerte Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung schliesse diese Einschränkung nicht aus. Das veröffentlichte Geheimnis sei angesichts aller Umstände aber nur von geringer Bedeutung. Wie gesetzlich möglich, sah das Gericht deshalb trotz Schuldspruch von einer Strafe ab. Die Journalisten liessen offen, ob sie das Urteil ans Obergericht weiterziehen wollen. Siehe auch: Zwei «BZ»-Journalisten wegen Indiskretion vor Gericht