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Dienstag
03.01.2012

Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff hat erneut für Schlagzeilen gesorgt: Er soll persönlich bei «Bild»-Chefredaktor Kai Diekmann angerufen haben, um den Bericht über die Immobilienfinanzierung durch ein befreundetes Ehepaar zu verhindern. Wie die «Süddeutsche Zeitung» und die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» berichten, hatte Wulff einen «endgültigen Bruch» mit dem Springer-Verlag angedroht und von «Kriegführen» gesprochen. Und er stellte staatsmännisch fest, dass für ihn und seine Frau der Rubikon überschritten worden sei. Auch mit einem Strafantrag gegen Journalisten soll er gedroht haben.

Dummerweise war Wulff zum Zeitpunkt des Anrufes in Kuwait und Kai Diekmann nicht im Büro, sondern in New York, weshalb der Bundespräsident seine Wut dem Anrufbeantworter preisgab - gut dokumentiert für alle Journalisten. Während «Bild» den gesamten Wortlaut des Ausrasters kennt, sitzt Wulffs Presseabteilung nun mit leeren Händen da.

«Bild» berichtete am 13. Dezember bekanntlich trotzdem über die Immobilienfinanzierung und Wulff liess daraufhin vorsorglich mitteilen, dass die Presse- und Rundfunkfreiheit für den Bundespräsidenten ein hohes Gut sei, weshalb er zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten Transparenz hergestellt habe. Zum Anruf beim «Bild»-Chefredaktor äusserte er sich allerdings nicht. Er werde über Vieraugengespräche und Telefonate grundsätzlich keine Auskunft geben, heisst es laut den deutschen Zeitungen in einer Mitteilung des Bundespräsidenten.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat Wulff bereits stark kritisiert. Der DJV habe sich gegen jegliche Versuche prominenter Persönlichkeiten gewandt, Einfluss auf die kritische Berichterstattung von Medien ausüben zu wollen. «Prominente müssen sich kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen», so der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. «Das müsste niemand besser wissen als der erste Mann im Staat.» Wulffs Versuche gegenüber «Bild» seien nicht vereinbar mit seiner Erklärung vom 22. Dezember, in der er die Bedeutung der Pressefreiheit ausdrücklich hervorgehoben habe.

Die «Bild» hatte über den Vorfall lange nicht berichtet. Am Montag aber meldete die «Bild»-Chefredaktion nun, dass die Zeitung «nach breiter redaktioneller Debatte davon abgesehen hat, eigens über den Vorfall zu berichten», da der Bundespräsident zwei Tage nach der ersten `Bild`-Veröffentlichung zu dem Hauskredit erneut den Kontakt zum Chefredaktor gesucht und in einem Telefonat persönlich um Entschuldigung für Ton und Inhalt seiner Äusserungen auf der Handy-Mailbox gebeten habe.

Die Beziehung zum «Bild»-Verlag dürfte sich deutlich abkühlen und nicht mehr so gut sein wie vor fünf Jahren, als sich die Scheidung von Wulffs Ehe anbahnte. «Bild» berichtete damals regelmässig über seine neue Liebe, vom heutigen Bundespräsidenten mit Informationen und Babyfotos versorgt. Heute enden die Artikel nicht mehr so versöhnlich wie der Beitrag «Eine Ehe, die zwei Menschen einsam machte», in dem es am Schluss noch lieb heisst: «Es wäre eine der seltenen Scheidungen mit Happy End.»