Ausnahmsweise waren sich Literaturkritiker und Leser einig: Die 36-jährige Berliner Übersetzerin und Web-Entwicklerin Kathrin Passig erhielt am Sonntag in Klagenfurt sowohl den Bachmannpreis als auch den Publikumspreis. Der Ingeborg-Bachmann-Preis ist mit umgerechnet 39 000 Franken, der Kelag-Publikumspreis mit 8000 Franken dotiert. Passig ist erst die zweite Doppelpreisträgerin nach der Berlinerin Inka Parei vor drei Jahren.
Passigs Text «Sie befinden sich hier» ist der in seiner besserwisserischen Gescheitheit umwerfend komische innere Monolog einer im Schnee erfrierenden Intellektuellen. Der Text hatte bereits bei der Lesung am Samstag restlos überzeugt. «Todlustig» und «makellos» hiess es aus der Jury, das Live-Publikum applaudierte minutenlang.
Die in Zürich lebende Kölnerin Annette Mingels kam in den Final, ging aber am Ende wie der Bündner Silvio Huonder leer aus. Beide ernteten zwar respektvolle Kritiken, aber beiden wurde ihre brave, umstandskrämerische Erzählweise angekreidet. Mingels (35) erzählte in «Nachbeben» von einem Familienurlaub, der dazu dienen soll, die Mutter, die fremd gegangen ist, wieder zur Vernunft zu bringen. Der 52-jährige Wahlberliner Huonder liess in seinem Romanauszug einen eigenbrötlerischen Meteorologen durch einen One-Night-Stand Vater werden.
Sonntag
25.06.2006