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Montag
09.06.2008

Wer die Fussballspiele der aktuellen Europameisterschaft am Fernsehen verfolgt, sieht nicht alles: Die Bilderauswahl trifft der Europäische Fussballverband (Uefa) als Veranstalter gleich selber - und achtet darauf, dass keine ihm unliebsamen Szenen in die guten Stuben flimmern. Sportminister Samuel Schmid war am Sonntag zu Gast im Wiener Ernst-Happel-Stadion und zog danach im Schweizer Fernsehen ein erstaunliches Fazit: Das Spiel am Vortag in Basel habe ihm sicherheitsmässig besser gefallen, sprach der Magistrat - denn mit Rauchpetarden könne er nichts anfangen.

Rauchpetarden? Das TV-Publikum stand vor einem Rätsel. In der Tat hatten kroatische Fans in der österreichischen Hauptstadt nach dem frühen Führungstor einen ganzen Sektor eingenebelt, doch das war am Fernsehen nur etwa eine Sekunde im Hintergrund erkennbar. Rasch schwenkte die Kamera weg und zeigte Jubelbilder «sauberer» Fans in einem anderen Bereich des Stadions. In der 67. Minute durchbrach auch noch ein kroatischer Fan die Sicherheitsabschrankungen, offensichtlich in der Absicht, auf das Spielfeld zu rennen. Am Fernsehen wurde später lediglich gezeigt, wie der Mann abgeführt wurde.

Die Auswahl der Bilder ist kein Zufall. Erstmals produziert die Uefa das internationale TV-Signal gleich selbst. Im Einsatz stehen 30 Kameras, ein Helikopter, sieben Super-Zeitlupen-Kameras und eine High-Speed-Kamera, die über 500 Bilder pro Sekunde aufnimmt. Doch was gezeigt wird, unterliegt nicht unbedingt journalistischen Kriterien. Vielmehr möchten die Veranstalter offensichtlich das Bild einer sauberen, problemfreien Europameisterschaft vermitteln. Die zuständigen Leute vor Ort «entscheiden situationsbedingt», sagt Pascale Voegeli von der Euro 2008 SA. Sie räumt aber ein, dass die Uefa kein Interesse daran hat, unschöne Vorfälle breit darzustellen. «Wenn sich ein paar Gestörte auf der Tribüne die Köpfe einschlagen, zeigen wir das sicher nicht.»

Die absolute Hoheit über das gesendete Material hat die Uefa allerdings nicht. Denn die nationalen Fernseh-Anstalten können eigene Kameras im Stadion positionieren und dementsprechend eigene Bilder in die Übertragung einspeisen. Ob sie ein Interesse haben, Bilder etwa von Gewalt oder Flitzern zu verbreiten, ist eine andere Frage. «Klar ist, dass wir die Bilder in angemessenem Rahmen zeigen würden», erklärt SF-Pressechef Urs Durrer. «Wir wollen einerseits die Realität abbilden, anderseits achten wir darauf, einzelnen Störenfrieden - und es sind ja immer einzelne - nicht die Plattform zu geben, die sie suchen.»

Wer die ganze Wahrheit über die Spiele erfahren will, ist aufs Internet angewiesen. In Blogs und Foren wird alternatives Fotomaterial in Windeseile verbreitet. Gegen die Amateuraufnahmen sind auch die Sittenwächter der Uefa machtlos. Auf Youtube findet sich überdies Filmmaterial. Meist allerdings nur sehr kurz, denn die Uefa lässt die Website laufend prüfen und sorgt dafür, dass die urheberrechtlich geschützten Sequenzen aus den Stadien umgehend vom Netz genommen werden.