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Dienstag
16.06.2009

«Wenn ich keine Verbindung zu Twitter habe, bin ich von der Welt abgehängt» erklärt «hamednz», ein Nutzer dieses Internet-Dienstes aus der iranischen Kleinstadt Rasht. «Denn das staatliche Fernsehen berichtet über vieles nicht.» Über den Kurzmitteilungsdienst organisieren iranische Oppositionelle Protestaktionen oder verbreiten Bilder von Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Polizei. Mit Twitter und sozialen Netzwerken wie Facebook haben sie einen Weg gefunden, trotz der Einschränkung der Medien Informationen zu verbreiten, die Zensur zu umgehen und zu Kundgebungen aufzurufen. Am Montag schrieb «alirezasha»: «Heute um 16.00 Uhr, ein RUHIGER Protest».

Eigentlich wollte Twitter den Dienst am Montag für 90 Minuten zu Wartungszwecken abschalten, verschob das aber um einen Tag auf eine nachtschlafende Zeit im Iran - wegen «der Rolle, die Twitter derzeit als wichtiges Kommunikationsmittel im Iran spielt», hiess es zur Begründung auf der Website. Der Dienst war am Montag im Iran immer noch blockiert, ebenso wie Facebook oder der Mobilfunkdienst SMS, der auch zum Veröffentlichen von Twitter-Mitteilungen genutzt werden kann. Aber technisch versierte Nutzer finden einen Umweg über andere Seiten. Die Zensur hat die Anzahl der «Tweets» aus dem Iran seit der Wahl am Freitag nicht einmal reduzieren können.

Der Nutzer «Mohsen» aus Teheran twittert in den vergangenen Tagen noch mehr als vorher. Er verbreitet, was er auf der Strasse sieht, «wie die Polizei Menschen prügelt, und wie Leute, die keine Polizisten sind, Anhänger von Mir Hossein (Mussawi) prügeln», also Anhänger des nach dem offiziellen Wahlergebnis unterlegenen Präsidentschaftskandidaten. «Ich glaube, zur Strategie der Behörden gehört es, Nachrichten und Informationen zu unterbinden. Und ich tue, was ich kann, um sie daran zu hindern.»

«Die Tatsache, dass die Regierung nicht imstande ist, alle Informationen zu unterdrücken, ist wirklich entscheidend», erklärt Robin Gross von IP Justice, einer Organisation, die in San Francisco für die Wahrung digitaler Rechte eintritt. «Sie kann Zensur nur wie Flickwerk ausüben - und Zensur funktioniert ihrem Wesen nach nur ganz oder gar nicht.»

Das Internet mit all seinen Möglichkeiten ist im Iran immer noch Sache der Wohlhabenden, der Städter und der jungen Leute, eben der reformorientierten Schichten, aus denen die Anhängerschaft Mussawis stammt. Wer weniger Geld und Bildung hat und auf dem Land wohnt, hat in der Regel keinen Kontakt zu diesen neuen Medien und steht eher auf Seiten des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. «Wenn Sie Twitter verfolgen, glauben Sie, dass Teheran wieder eine Revolution erlebt», sagt der ägyptische Blogger Hossam el Hamalawy. «Und das ist nicht der Fall.»