«Schafft doch gleich das Leben ab», hiess der Titel eines Artikels, der unlängst im Berner «Bund» erschienen ist. Wenn dies auch eine stark überzeichnete Formulierung sein mag, ist unbestritten, dass immer mehr Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Verbote unser Alltagsleben prägen. Diese Tendenz geht uns alle an; Grund genug für den Werbeclub Bern, in Kooperation mit dem Wirtschaftsberatungs-Cluster Bern sich dieser Thematik anzunehmen: Unter dem Motto «Einst: 10 Gebote; Heute: Mehr und mehr Verbote» referierten am Donnerstag vor gut gefüllten Rängen Fürsprecher Philippe Probst und Professor Andreas Kley von der Universität Zürich.
Während Probst in zehn Bereichen - vom Persönlichkeitsschutz bis zur Sittlichkeit - den aktuellen Kodex und die sich daraus ergebenden Fallstricke aus juristischer Sicht anging, beleuchtete Kley den Ruf nach immer mehr Reglementierungen und Verboten nach philosophischen/gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten. In den Vordergrund stellte er dabei die Begriffe «Menschenwürde» und «Nachhaltigkeit». Deren beliebig austauschbare Verwendung sei ein matchentscheidender Faktor. Durch den inflationären Gebrauch so genannt ethischer Begriffe würden diese stark abgewertet. Auch sei vieles nicht zu Ende gedacht. Etwa in der neuen Bundesverfassung, die mit so vielen «würdebezogenen» Begriffen versetzt sei, dass dies nur noch von der Verfassung Weissrusslands übertroffen werde.
Ein gutes Beispiel für diesen Wortmissbrauch fände man, so Kley, im neuen Tierschutzgesetz. Bei diesem habe er das Gefühl, es sei «von einer Horde Vegetariern verfasst worden.» Denn so lange Fleisch essen nicht verboten sei, liesse sich der propagierte würdevolle Umgang mit dem Tier gar nicht in jeder Beziehung umsetzen. Durch diesen universellen Umgang mit ethischen Begriffen sei es zudem ein Leichtes, sich in eine Opferrolle zu begeben. Und einmal in dieser eingebunden, lasse sich fast jedes Verbot durchbringen; «wer dagegen ist, ist schlicht daneben.» Was denn politisch auch mehr und mehr genutzt werde, führe doch gerade diese Omnipräsenz von heiligen Sätzen zu einer Stigmatisierung der Gesellschaft - wer gegen die Regeln verstösst, begeht ein Sakrileg, dem entgegenzuhalten ist. Kley`s Fazit: Political Correctness in Ehren, aber die Overdose davon sei dann doch wirklich zuviel der Ehre.
Samstag
20.05.2006