Gewaltentrennung. Medienfreiheit. In der Zürcher Vorortsgemeinde Maur liefert die Kommunalpolitik ein Fallbeispiel für die prekäre Lage im Schweizer Lokaljournalismus. Selber scheint sie es aber nicht zu bemerken.
In der Zürcher Vorortsgemeinde Maur sorgt der Streit um die Dorfzeitung «Maurmer Post» seit Monaten für Schlagzeilen. Selbst nationale Titel wie die «Neue Zürcher Zeitung», der «Tages-Anzeiger» oder die Blätter von CH Media widmeten dem Thema schon ausführliche Beiträge. Seit diesem Jahr liegt die redaktionelle Hoheit der «Maurmer Post» beim Gemeinderat, produziert wird die wöchentlich erscheinende Publikation vom Stadtzürcher PR-Büro Wortstark.
Der Klein Report hat ein Interview mit dem Maurmer Gemeinderat Alexander Lenzlinger zu einer Asyldebatte, bei dem in der Autorenzeile auf die Nennung einer Journalistin (beziehungsweise eines Journalisten) verzichtet wurde, zum Anlass genommen, an Gemeindeschreiber Christoph Bless einige Fragen zum Publikationsablauf zu stellen.
Dabei gibt der Verwaltungsangestellte Bless entwaffnend offen zu, dass Gemeinderat und Gemeindeverwaltung die Fragen an ihren eigenen Mann formuliert hätten. Im Wortlaut sagt Bless: «Fragen und Antworten haben der Gemeinderat und die Gemeindeverwaltung gemeinsam erarbeitet. Die Redaktion der ‚Maurmer Post‘ (MP) hat die Textvorlagen bearbeitet.»
Auf das Insistieren des Klein Reports, dass sich der Gemeinderat somit faktisch selber interview habe, wiederholt Bless: «Ja, Gemeinderat und Gemeindeverwaltung haben die Fragen gemeinsam erarbeitet.» Die Maurmer Bevölkerung solle über das Geschäft als solches und über die Haltung des Gemeinderats informiert werden. Die Interview-Form sei hierfür geeignet.
Auf den Einwand, dass dies nicht dem Prinzip der Gewaltentrennung entspreche, verweist Bless auf einen (angeblichen) Entscheid des Gemeindeamtes des Kantons Zürichs: «Die ‚Maurmer Post‘ ist eine Gemeindepublikation mit Forumscharakter. Sie informiert die Bevölkerung sachlich und objektiv über relevante Themen in der Gemeinde und über die Arbeit von Behörde und Verwaltung. Mit ihrem Inhaltskonzept erfüllt sie die Vorgaben des Gemeindeamts.»
Auf die Frage, wie lange die PR-Agentur Wortstark noch im publizistischen Lead bleibe, antwortet der Maurmer Gemeindeschreiber: «Solange, bis eine neue Chefredaktion angestellt und operativ tätig ist. Gemäss Umsetzungsplanung dürfte der Wechsel im letzten Quartal dieses Jahres erfolgen.» Der Prozess sei im Gang und dem Gemeinderat sei es wichtig, dass die Mitglieder der neu zu bildenden «Maurmer Post Kommission» ein Mitspracherecht besitzen. Wie diese Mitglieder heissen, bleibt derzeit noch ein Geheimnis. In Maur soll aber noch vor den Sommerferien Licht ins Dunkel gebracht werden.
Nicht nur der Klein Report wartet gespannt. Was derzeit in der Gemeinde Maur um die Dorfzeitung geschieht, könnte durchaus exemplarischen Charakter für die Medienfreiheit und die Gewaltentrennung in der gesamten Schweiz besitzen.