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Freitag
13.11.2009

Der Text erinnert an einen Bettelbrief. Unter dem Titel «FREIE PLÄTZE zu besetzen!» stand da folgendes: «`Need To Believe` heisst das neue Album der Rockband Gotthard. Daran wollen und müssen wir nun auch glauben, denn leider verläuft der Vorverkauf in Chur nur sehr schleppend», schrieb die Konzertagentur Taifun Music AG aus Zofingen in einem Mail an die Schweizer Medien.

«Mag daran liegen, dass Gotthard auf dieser Tour in mehreren Kantonen präsent ist und ihre Show schweizweit präsentieren», heisst es da. Allerdings sei Chur etwas Besonderes, «denn hier startet die Schweiz-Tournee der Rocklegenden. Das heisst also: Alle Kräfte mobilisieren und den anderen vormachen, wie man richtig abfeiert.»

Ja, gibt es denn etwas zu feiern? Nicht wirklich, wenn man dem weiteren Text glauben darf sowie dem CD-Titel von Gotthard, frei übersetzt «Man muss daran glauben».

Sophie Zschieschang jedenfalls, so der Name der Taifun-PR-Dame, glaubt daran und rechnet auf Hilfe von aussen. «Damit das gelingt, benötige ich Ihre tatkräftige Unterstützung und würde mich freuen, wenn Sie uns mit redaktionellen Beiträgen unter die Arme greifen könnten. Gerne biete ich Ihnen bei einem grösseren Format auch Tickets zur Verlosung an.»

Geschenke erhalten die Freundschaft, weiss der Volksmund.
«Mit freudiger Erwartung auf Ihre Antwort und herbstlichen Grüssen» - so endet die junge Bittstellerin, eine Deutsche, die erst seit kurzem für die Medien-Arbeit von Taifun Music verantwortlich zeichnet.

«So etwas darf natürlich nicht vorkommen und ist schlichtweg unprofessionell», so ein nicht genannt sein wollender bekannter PR-Mann im Musik-Business gegenüber dem Klein Report. Auch für Taifun-Chef Martin Lüthy sei diese Art von Kommunikation seines «Grünschnabels» ein absolutes No-Go.

Die Folgen des Bettelbriefes liessen denn auch nicht lange auf sich warten. Bereits einen Tag später machte die Pendlerzeitung «20 Minuten» das Thema Gotthard gross auf. Bei Recherchen hatte man herausgefunden, dass auch auf der derzeit laufenden Gotthard-Tournee in Deutschland nicht alles so läuft, wie es sich die Tessiner Rockband erhofft hatte. «Zu wenig Fans: Gotthard müssen Konzert absagen», hiess die fette Schlagzeile. «Die Zahlen sind in ganz Europa sehr schwierig», liess sich Gotthard-Bassist Marc Lynn in der Gratiszeitung zitieren. «Wir haben uns überschätzt.»

«20 Minuten» setzte zum Thema Tour-Auftakt von Gotthard in Chur noch einen drauf: «Für die Eröffnungsshow in einem Monat sind noch nicht einmal die Hälfte der 2500 Tickets verkauft.» Weiter hiess es, in Köln hätte man das Konzert in eine kleinere Halle verlegen, in Hamburg sogar ganz absagen müssen.

Die Zeiten sind auch für grössere Namen im Musikgeschäft hart geworden. Nicht selten füllen Weltstars - wie in diesem Sommer die amerikanischen Superstars The Eagles mit einem halbgefüllten Zürcher Hallenstadion - die Konzertsäle nicht mehr.

Für Gotthard jedenfalls geriet die «Grünschnabel-Attacke» auf die Presse zum Rohrkrepierer und Boomerang. Was schliesst man daraus? Kommunikation muss gelernt sein.