Bundesräte stellten gern Journalisten ein, denn die seien doppelt gut: als nützliche Idioten zum Füttern ehemaliger Kollegen und als Sündenböcke, wenn`s schief laufe, schreibt Kurt. W. Zimmermann in seiner Kolumne in der aktuellen Ausgabe der «Weltwoche». Diese Kolumne wollen wir Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten.
«Filz ist ein ganz besonderer Stoff»
Heute wollen wir uns einmal in die Rolle eines recherchierenden Journalisten begeben. Wir nehmen dazu ein historisches Beispiel, den Fall des Botschafters Thomas Borer und der Kosmetikverkäuferin Djamile Rowe. Wir recherchieren also und rufen Ruedi Christen an, den Informationschef des Aussendepartements EDA. Ruedi Christen war zuvor 20 Jahre lang Journalist, zuletzt als Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens. Die Möglichkeit ist also gross, dass wir ihn von früher her kennen, von gemeinsamen Partys und von gemeinsamem Fussballspiel. Unsere erste Frage lautet also so: «Hoi Ruedi, du erzähl mal, hat der Borer wirklich diese Djamile gebumst, und sag mal, ist der Deiss nicht stinkesauer darüber?» Wenn wir den EDA-Informationschef nicht von früheren Partys und Fussballspielen her kennen, dann fragen wir so: «Guten Tag, Herr Christen, gibt es nähere Informationen zum Verhältnis von Herrn Borer zu Frau Rowe, und wäre dazu eine Stellungnahme von Bundesrat Deiss erhältlich?»
Wir können davon ausgehen, dass wir im ersten Fall die besseren Informationen erhalten.
Ruedi Christen soll nach Meinung der Geschäftsprüfungskommission der Alleinschuldige an der heillosen Borer-Affäre sein. Er habe sich durch allzu pointierte Aussagen zum «aktiven Mitspieler» des Falles gemacht und dadurch den «Blick», den «SonntagsBlick» und den Rest der Meute erst richtig in Jagdstimmung gebracht.
Das ist mir zu billig. Ich glaube, Informationschef Christen, mittlerweile bei der Uno-Mission in New York, hat damals genau das getan, was sein Chef von ihm erwartet hat. Er wurde verwendet, weil er gute Kontakte zu Journalisten hatte und weil er dadurch die Botschaften seines Bundesrats besser verkaufen konnte. Genau das tat er auch. Er liess durchsickern, dass der extravagante Lebensstil der Borers dem biederen Bundesrat reichlich auf die Nerven ging.
Doch Christen ist nur Teil eines Systems. Im Bundeshaus ist eine wahre Epidemie ausgebrochen. Zu Dutzenden werden Journalisten vom Redaktionspult weg angestellt, als Informationschefs, als Kommunikationschefs, als Pressesprecher. Machen wir uns nichts vor: Sie werden angestellt, weil man sich von ihnen eine erfolgreiche Manipulation ihrer ehemaligen Kollegen verspricht. Moritz Leuenberger scheint für diese Denkart besonders anfällig. Sein Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) ist das beste Beispiel für die Journalistenschwemme im Bundeshaus. In sechs seiner acht Bundesämter leiten Ex-Journalisten die Information, und auch die zentrale Kommunikation ist fest in ihrer Hand. Hier die imposante Liste. Es sind nur jene, die mir bekannt sind, in Wahrheit sind es wohl noch etliche mehr:
Persönliche Mitarbeiterin: Catherine Bellini («L`Hebdo»);
Uvek-Informationsdienst: Hugo Schittenhelm («Der Bund»), André Simonazzi («Le Nouvelliste»), Matthias Brüllmann (Associated Press);
- Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft: Andreas Stuber («Der Bund»), Thomas Göttin (Radio DRS), Adrian Aeschlimann («Der Bund»), Elisabeth Maret (Depeschenagentur);
- Bundesamt für Verkehr: Ueli Sieber («Der Bund»), Gregor Saladin (Depeschenagentur);
- Bundesamt für Strassen: Jolanda van de Graaf (Radio DRS);
- Bundesamt für Wasser und Geologie: Ruedi Bösch (Radio 32);
- Bundesamt für Zivilluftfahrt: Daniel Göring («Aargauer Zeitung»), Célestine Perissinotto (Radio RJB), Anton Kohler (Radio DRS);
- Bundesamt für Raumentwicklung: Rudolf Menzi (Radio Zürisee);
- SBB: Danni Härry («Berner Zeitung»);
- Post: Liselotte Spengler («Media Trend Journal»), André Mudry (Radio Suisse Romande), François Tissot («L`Agefi»); - SRG: Josefa Haas («Tages-Anzeiger»).
Oswald Sigg, neuer Stabschef Leuenbergers, hat mir erzählt, dass er sich, wann immer möglich, gegen die Anstellung von Journalisten ausspricht. Die persönliche Verbrüderung mit ihren ehemaligen Berufskollegen fördere nicht eben die Professionalität in der Kommunikation. Sigg kann sich allerdings schwer durchsetzen. Die meisten Bundesräte setzen lieber auf den Filz-Effekt. Sie erwarten, dass ihre Informationsbeamten bei ihren früheren Pultnachbarn die Abdruck- und Einschaltquoten heben. Die Medien wiederum erwarten von ihnen «unter Kollegen» eine Bevorzugung in der Information. Das bringt die Ex-Journalisten in eine schwierige Sandwichposition. Wenn es schief geht, auch dies lehrt uns der Fall Christen, dann erleben sie einen bekannten Effekt der Medienrealität. Dann wird der nützliche Idiot blitzschnell zum Sündenbock.
Sonntag
27.03.2005