Die Verwaltung der Internetadressen wird auch künftig von den USA aus erfolgen. Darauf einigten sich die Regierungen am UNO-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS), wie Roman Berger für den Klein Report aus Tunis meldete. «Wir arbeiten wie ein Postamt. Wir schauen auf korrekte Adressen und sorgen, dass die Post am richtigen Ort ankommt. Der Inhalt interessiert uns nicht», erklärte Paul Twomey, Präsident von ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) die Aufgabe der privaten Organisation mit Sitz in Kalifornien.
ICANN untersteht der Aufsicht der US-Regierung, die das Internet in letzter Instanz kontrolliert. Eine grosse Mehrheit der Regierungen akzeptiert diesen Zustand nicht mehr. Ein Vorschlag der EU forderte, Regierungen, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und internationale Organisationen sollen «in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich» an den Entscheidungen beteiligt werden. Eine Abschaffung der ICANN wurde nicht verlangt.
Nach einer harten Debatte einigten sich am WSIS die Regierungen auf einen Kompromiss. ICANN bleibt weiterhin für die Verwaltung des Internets verantwortlich und die US-Regierung alleinige Kontrollbehörde des World Wide Web. Neu soll nun von der UNO ein Forum einberufen werden, wo Vertreter der Regierungen, Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft die Rolle des Internets in der Gesellschaft und Ideen für eine künftige Verwaltung des Internets diskutieren können.
«Damit entsteht eine Art Hyde Park Corner oder Parlament, das über die Probleme des Internets Öffentlichkeit schaffen und auch eine moralische Kontrollfunktion ausüben kann», meinte Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Andere Vertreter von NGO befürchten allerdings, der Kompromiss sei eine Alibi-Übung.
Entscheidend wird wohl sein, was die Mitglieder aus diesem Forum machen. Sicher hat der WSIS dafür gesorgt, dass die Ansicht der USA nicht mehr akzeptiert wird, die Zukunft des Internets könne dem freien Markt überlassen werden. Experten haben denn auch auf handfeste politische und wirtschaftliche Interessen der US-Regierung am jetzigen Zustand hingewiesen. Die US-Regierung, die den Kompromiss von Tunis als Sieg feiert, gerät unter Zugzwang. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die exklusive Rolle der USA bei der Internet-Verwaltung ein Ende hat. Siehe auch: Weltinformationsgipfel Tunis: Bundespräsident Schmid zensuriert und Weltinformationsgipfel Tunis: Auf Schritt und Tritt verfolgt
Donnerstag
17.11.2005