Bundespräsident Samuel Schmid hat am Informationsgipfel in Tunis die Unterdrückung der Meinungsfreiheit offen kritisiert. Die Rede wurde am staatlichen Fernsehen zensuriert, wie Roman Berger für den Klein Report aus Tunis meldete. «Es ist unannehmbar, dass Bürger aus dem einzigen Grund, weil sie ihre Regierung im Internet oder in der Presse kritisiert haben, im Gefängnis landen. Jede Wissensgesellschaft achtet die Unabhängigkeit ihrer Medien so, wie sie die Menschenrechte respektiert. Ich erwarte deshalb...» An dieser Stelle war am Kanal 7 des staatlichen Fernsehens von Tunesien die Übersetzung von Schmids Rede ins Arabische unterbrochen worden.
Die Direktübertragung der Eröffnung des UNO-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS) war beendet. Nur noch die Teilnehmer des WSIS konnten Schmids weitere Sätze vernehmen: «Für mich ist es selbstverständlich, dass in Tunis, in diesen Mauern, aber auch ausserhalb, jeder und jede in voller Freiheit diskutieren können. Das ist für uns die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen dieses Gipfels.» Als Veranstalter des Genfer WSIS 1993 ist die Schweiz Ehrengast des Tunis- Gipfels. Deshalb konnte der Bundespräsident nach dem tunesischen Staatspräsidenten Ben Ali und UNO-Generalsekretär Kofi Annan bereits als Dritter sprechen. Schmids Ansprache war deshalb mit Spannung erwartet worden. Sie wurde zweimal von starkem Applaus unterbrochen, genau an jenen Stellen, welche die Zensoren zum Eingreifen provozierten.
«Es ist wahrscheinlich das erste Mal, dass ein Schweizer Bundesrat im Ausland von einem staatlichen Medium zensuriert wurde», meinte Alain Modoux, ehemaliger Pressesprecher der Unesco und Medienexperte gegenüber dem Klein Report. «Endlich hat die Schweizer Regierung offen und in Anwesenheit des tunesischen Staatspräsidenten klar Stellung bezogen», stellte Yves Steiner von Amnesty International Schweiz mit Genugtuung fest.
Bei der tunesischen Regierung protestiert hatte die Schweiz nach mehreren tätlichen Übergriffen auf ausländische und tunesische Journalisten in Tunis. Die Anschuldigungen wurden von tunesischer Seite als «erfunden und lügenhaft» zurückgewiesen. Schmid wurde bei seiner Ankunft in Tunis auf niedrigstem Niveau, vom Chef des Protokolls der tunesischen Regierung, empfangen. Unmittelbar nach seiner Rede ist der Bundespräsident wieder nach Bern zurückgeflogen. Bundesrat Moritz Leuenberger wird am Donnerstag im Namen der Schweizer Regierung am WSIS sprechen. - Siehe auch: Weltinformationsgipfel Tunis: Auf Schritt und Tritt verfolgt
Mittwoch
16.11.2005