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Donnerstag
10.11.2005

Der am nächsten Mittwoch beginnende Weltinformationsgipfel in Tunis steht unter einem schlechten Stern: In Vorbereitungssitzungen konnten Meinungsverschiedenheiten nicht überwunden werden, und die Menschenrechtssituation in Tunesien wird scharf kritisiert. «Die Vorverhandlungen sind nicht wie erhofft vorangekommen. Jetzt muss mit Turbo an die Sache herangegangen werden, sonst wird es keine oder nur sehr magere Resultate geben», sagte Marc Furrer, Präsident der eidg. Kommunikationskommission (ComCom) und Delegationsmitglied, auf Anfrage der SDA.

Für Furrer folgt der Gipfel vom 16. bis 18. November zu schnell auf die erste Phase im Dezember 2003 in Genf. Dort waren eine Deklaration und ein Aktionsplan verabschiedet worden. Seit Genf wurden einige konkrete Projekte vorgeschlagen, um den digitalen Graben zwischen Nord und Süd zu überwinden. Die Finanzierung aber ist noch offen. Das überrasche ihn nicht, sagte Furrer. Die Entscheidungen von Genf hätten noch zu keinen Resultaten geführt. Der digitale Graben zwischen Nord und Süd bleibe offen.

An der Vorbereitungssitzung im September in Genf konnten sich die Teilnehmer noch nicht über die künftige Internet-Regulierung einigen. Die USA wollten am Status Quo der ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) festhalten. So ist noch immer strittig, ob die ICANN in eine internationale Organisation zur Kontrolle des World Wide Web eingebaut werden soll. ICANN ist eine private, in den USA ansässige und unter kalifornischem Recht stehende Institution.

Auch die Schweiz will am Status Quo der ICANN grundsätzlich festhalten. Es funktioniere gut so, sagte Furrer. Für den Gipfel erwartet er höchstens eine Einigung zur Verbesserung der Transparenz in der Internet-Adressierung und die Schaffung eines Forums, das sich mit der Internet-Regulierung befasst. Kurz vor dem offiziellen Gipfel findet ab Sonntag ein zusätzliches Treffen statt, wo ein Kompromiss gefunden werden soll, wie Furrer weiter sagte. Was die Finanzierung betrifft, so glaubt Furrer, dass der in diesem Jahr geschaffene Solidaritätsfonds zur Überwindung des digitalen Grabens dafür nicht ausreiche.

«Es braucht Mechanismen, um Investitionen in Infrastruktur und Telekommunikation in den Ländern des Südens zu stimulieren», sagte Furrer. Auch dies soll am Rande des Gipfels zur Sprache kommen. Zur Menschenrechtslage in Tunesien will die Schweiz nicht schweigen. Tunesien müsse einsehen, dass viele Länder mit dem dortigen Regime nicht einverstanden seien, sagte Furrer. «Wir haben unsere Sorge über die Menschenrechtslage bei unseren Gesprächen immer erwähnt.»

Als Gaststaat des ersten Teils des Gipfels 2003 in Genf schickt die Schweiz eine grosse Delegation, geleitet von Bundespräsident Samuel Schmid, nach Tunis. Kommunikationsminister Moritz Leuenberger wird ihr angehören, ebenso wie Furrer selbst und rund 10 weitere Personen. Nebst UNO-Generalsekretär Kofi Annan werden rund 50 Staats- und Regierungschefs erwartet. Zudem sollen über 10 000 Vertreter aus Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilbevölkerung anwesend sein. Siehe auch: Leuenberger: In Tunis über Menschenrechte reden und Weiter Uneinigkeit über Internet-Regulierung