Nach dem Rückpfiff durch die Rekurskommission gehen die Wettbewerbshüter erneut gegen die Swisscom vor: Sie wollen abklären, ob der Telekom-Konzern mit seiner Preispolitik beim Breitbandinternet (ADSL) eine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Die Untersuchung sei am Vortag eröffnet worden, teilte die Wettbewerbskommission (Weko) am Freitag mit. Denn die Preise für ADSL-Dienste, welche die Swisscom anderen Internetanbietern für die Mitbenutzung ihres Netzes verrechnet, seien im Vergleich zu den Endkundenpreisen der Swisscom-Internettochter Bluewin «hoch».
Möglicherweise verbleibe damit anderen Internetprovidern keine genügende Marge. Diese Preispolitik könnte gegen das Kartellgesetz verstossen, schreibt die Weko. Die Swisscom hat immer noch das Monopol über die «letzte Meile». Deshalb sind andere Internetanbieter auf das Netz des «Blauen Riesen» angewiesen, um die einzelnen Haushalte mit ADSL zu erreichen. Sie können ihren Kunden nur die Bandbreiten anbieten, die ihnen die Swisscom zur Verfügung stellt. Der grösste Schweizer Telekomkonzern befindet sich erneut im Visier der Wettbewerbshüter wegen der ADSL-Preise. Bereits im Dezember 2003 hatte die Weko der Swisscom einen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung vorgeworfen.
Sie verbot dem Konzern ein Rabattsystem, das Bluewin gegenüber den Konkurrenten bevorzugte. Die Swisscom zog den Fall vor die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen, welche die Weko im letzten Juni zurückpfiff. In der Folge hoben die Wettbewerbshüter am vergangenen Montag ihr Rabattverbot auf, eröffneten aber wenige Tage später eine neue Untersuchung. Diese sei eingeleitet worden, weil im Zuge der Rabattuntersuchung andere Telekomanbieter sich bei der Weko über die ADSL-Preispolitik der Swisscom beklagt hätten, sagte Weko-Verantwortlicher Stefan Renfer.
Die Swisscom zeigte sich erstaunt. Die Weko gehe offenbar von einem Marktversagen aus. «Davon kann keine Rede sein», sagte Konzernsprecher Sepp Huber der sda. Rund die Hälfte der Haushalte verfügten heute über einen Breitbandinternet-Zugang über ADSL oder Kabelfernsehnetze. Dies sei Spitze in Europa. In der Schweiz gebe es über 1 Mio. ADSL-Kunden. Ein Grund dafür sei das Wiederverkaufsmodell der Swisscom über rund 30 Provider, die in direktem Wettbewerb zueinander stünden. Bluewin habe die gleichen Konditionen wie andere Internetanbieter. Es gebe keine Quersubventionierung. Zusätzlich hat TV-Kabelnetzbetreiber Cablecom weit über 300 000 Breitband-Internetkunden.
«Die Internetpreise in der Schweiz sind sehr attraktiv», sagte Huber. Dem widersprechen andere Telekomanbieter wie Sunrise oder Tele2. Der Co-Chef des Waadtländer Internetanbieters VTX sagte, dass die Preise deutlich über der europäischen Norm lägen. Ohne Zusatzdienste wäre das reine ADSL-Geschäft in den roten Zahlen. «Das rechnet sich nur, wenn die Kunden auch mit uns telefonieren», sagte Tele2-Chef Roman Schwarz. Ihre Hoffnung setzen die Konkurrenten auf die Liberalisierung der letzten Meile durch das neue Fernmeldegesetz, das derzeit vom Parlament beraten wird. Falls das Fernmeldegesetz die letzte Meile knackt, dann könnte die Regulierungsbehörde ComCom die ADSL-Weiterverkaufspreise der Swisscom festlegen. Und diese Festlegung könnte die Swisscom bis vor Bundesgericht anfechten.
Freitag
21.10.2005