Wegen eines Fehlers, den der Schweizer Presserat als «Bagatelle» einstuft, hat eine internationale Pharmafirma einen Riesenwirbel gegen die «Handelszeitung» angezettelt. Der Presserat hat die Beschwerde gegen das Verhalten der «Handelszeitung» in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme abgewiesen und die Beschwerdeführerin getadelt, sie schiesse «weit über das Ziel hinaus». Konkret ging es um einen Artikel über ein neues Aids-Medikament der besagten Firma. Die «Handelszeitung» hatte den Beitrag aus dem «Wall Street Journal» (WSJ) übernommen, wobei von einer ausstehenden Zulassung durch die amerikanischen Behörden die Rede war. Tatsächlich hatte das Medikament genau an dem Tag die Zulassung erhalten, an dem der Artikel im WSJ erschienen war.
Der von der Pharmafirma angerufene Presserat räumt jetzt ein, die «Handelszeitung» hätte die Sache mit der Zulassung abklären und den WSJ-Artikel entsprechend ergänzen können. Dies sei aber als Unachtsamkeit zu werten und keineswegs ein Verstoss gegen die Wahrheitspflicht. Zudem habe die «Handelszeitung» umgehend eine Berichtigung publiziert und habe damit ihrer Pflicht Genüge getan. Die Pharmafirma versuchte hingegen, eine «geschäfts- sowie wettbewerbsschädigende» Bedeutung geltend zu machen und verlangte Berichtigungen auf dem Internetportal sowie bei verschiedenen Nachrichtenagenturen. Kommentar des Presserats: «Wo die Reaktion auf einen kleinen Fehler derart unverhältnismässig ist, wandelt sich das schützenswerte Anliegen einer Berichtigung unversehens zu einem Angriff auf die Freiheit und Unabhängigkeit der Medienschaffenden.» - Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/24090.htm
Als Ergänzung schickte die betroffene Pharmafirma eine Stellungnahme am Samstagmorgen: «Das Unternehmen begrüsst die Kritik des Presserates an der `Handelszeitung`. So schreibt der Presserat, die `Handelszeitung` habe es `unterlassen, den aktuellen Stand des Zulassungsverfahrens vor dem Nachdruck abzuklären`. Der Presserat gewichtet die ausgebliebene Nachrecherche als blossen `Mangel` und erstaunlicherweise nicht als `Verletzung der Wahrheitspflicht`.»
Für die Pharmafirma, Alenka Ambroz, Strategie & Kommunikation.
Samstag
21.06.2008