Wenn es im Konfliktfall darum geht, das Schweizer TV-Publikum ins Bild zu setzen, ist Professor Dr. Albert A. Stahel, Dozent für Strategische Studien an der Uni Zürich, stets schnell zur Stelle. Am Freitag erklärte der Guru der Schweizer Sicherheitspolitik einem Kreis von altgedienten Kommunikations- und Militärprofis die Welt, nämlich den Mitgliedern des ehemaligen Stabs BR APF, also dem seinerzeitigen Organ des Bundesrates für die Information der Öffentlichkeit im Kriegsfall.
Die Truppe umfasste zu ihren besten Zeiten rund ein Drittel aller Medienschaffenden der Schweiz aus Presse, Radio und Fernsehen, ist 2004 aufgelöst worden und lebt seither als Verein APF weiter, unter anderen mit den Vorstandsmitgliedern Antonio Riva, dem ehemaligen SRG-Direktor, und dem früheren S-Plus-Direktor Roy Oppenheim.
Vor illustren Eingeweihten (u.a. der frühere «Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Viktor Schlumpf, ex-«Handelszeitung»-Chefredaktor Martin Ungerer und PR-Mann Karl F. Schneider) nahm Dozent Stahel kein Blatt vor den Mund und stellte als zentrale These in den Mittelpunkt: Die Deutschen beherrschen die EU und sagen dort, wo es lang geht in Wirtschaft und Politik und werden diesen Einfluss auf weitere Länder auszudehnen versuchen - auch auf die Schweiz, «selbst wenn wir nur ein kleiner Nonvaleur mittendrin in Europa sind».
Beste Beispiele sind für Stahel da die ungelösten Konflikte um den Flughafen Zürich-Kloten und das Steuerabkommen, das auch noch nicht in trockenen Tüchern ist. Stahel, unter anderem auch Mitglied des International Institute for Strategic Studies in London und der Clausewitz-Gesellschaft in Hamburg, stellt dem eine interessante zweite These gegenüber: «Die Amerikaner nutzen dies mit einer Gegenstrategie aus und fördern die Rivalität einzelner Länder gegenüber Deutschland.» Und wenn das nicht gelingt? «Dann könnten sich die USA, so wie sie sich heute aus Zentralasien zurückziehen und sich mehr und mehr auf den Pazifikraum konzentrieren, längerfristig auch aus Europa zurückziehen - und Deutschland wird das Vakuum zusammen mit Russland füllen.»
Seine «Szenarien zum Nachdenken» sind für Stahel keine festen Behauptungen, aber allemal Wert, überdacht zu werden: «Wir haben heute mitten im Frieden eine machtpolitische Auseinandersetzung - und keiner redet darüber!»