Walter Hügli ist ins Geschäft mit Apps eingestiegen. Der Zürcher Kulturunternehmer, Herausgeber, Stiftungsrat, Künstler und Designer hat für das Filmfestival von Locarno eine spezielle Art App entwickelt, die am Filmfestival erstmals getestet wird.
Früher hatte der studierte Betriebswirtschafter und Major im Militär bei Jelmoli die ersten Sushis und Tapas eingeführt. Später, ab 1995, eroberten Hügli und sein Bruder Peter Hügli die Schweiz mit ihren Gratis-Kunstpostkarten, von denen bald einmal 100 Millionen in Umlauf waren. «Kunst als Massenprodukt unter die Menschen bringen war schon immer mein Ehrgeiz», umschreibt Hügli im Gespräch mit dem Klein Report, was ihn antreibt.
Zu diesem Konzept gehörte auch die Kette der Montreux Jazz Cafés, für die er 1992 zusammen mit Quincy Jones und Claude Nobs das Konzept erstellte. «Es war stets ein Spagat zwischen Kunst und Kommerz», sagt Hügli, «was ich nie wollte, waren Subventionen vom Staat.» Während es die Montreux Jazz Cafés nicht zur globalen Kette schafften (aber immerhin an den Flughäfen in Genf und Zürich sowie bei Harrods in London präsent sind), liefen seine Zürcher Nachtclubs Rohstofflager und Toni-Molkerei und waren europaweit ein Magnet für Clubber. «Sogar `Vanity Fair` und CNN berichteten darüber», erinnert sich Hügli. Passend zu diesem Anspruch erschien im Scalo-Kunstverlag das Photobuch «Raw Music Material», ein literarisch-elektronisches Porträt jener wilden Zürcher Szeneclubjahre.
Nach deren Ende und einer Denkpause in seinem «parco ambientale» am Lago Maggiore ist Hügli jetzt zurück in der Szene und versucht mit Apps das zu machen, was er bisher auf so vielen Feldern erfolgreich tat: mit speziellen Ideen Geld verdienen: «Etwas wird in meinem Kopf geboren, dann probiere ich es für mich allein so lange, bis es geht, und dann bringe ich Protagonisten aus unterschiedlichen Szenen für ein Projekt zusammen. Man hat einen kleinen Zeitvorsprung, in dem man sich an den richtigen Orten positionieren muss, doch nachher kommt unweigerlich der Markt und alle machen es», ist er überzeugt.
Im Augenblick sind die Organisatoren des Locarno Filmfestivals, des Filmfestivals Berlin und des Christopher Street Day in Berlin seine Partner. An diesen Grossereignissen wird seine neuartige iPhone-App erstmals zum Einsatz kommen, an der neu ist, dass jeder Besuch seine eigenen am Event geknipsten Bilder direkt auf Facebook hinaufladen und als Ansichtskarte verschicken kann, gedruckt mit Briefmarke oder portofrei via Internet. «Das Feld ist da weit», sagt Hügli, «man kann das mit Promotionen für den Event und Wettbewerben kombinieren oder seine Postkarte in Gold rahmen lassen.»
Am Film Festival Locarno heisst es ab dem 1. August «your Festival del film Locarno experience Photo contest». Die Festivalbesucher dokumentieren ihre Eindrücke in Bildern, teilen sie und verschicken die Fotos als Postkarte in die ganze Welt. Hügli: «Die circa 13 000 Filmfestivalbesucher können die Fotos dank dieser speziellen App bewerten. Die digitale Welt wird mit der analogen verbunden und es entsteht eine Dreickbeziehung zwischen Event, Besucher und Friends.»