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Samstag
18.09.2004

Dr. Stephan Russ-Mohl, Medienprofessor an der Uni Lugano, beschäftigte sich in seinem Referat am Jahreskongress des Verbands Schweizer Presse in Lausanne mit dem Thema «Journalistische Qualität als Werterhaltung und Produktivitätsfaktor». Anhand zahlreicher Fallstudien aus der ganzen Welt führte er seinen Zuhörenden die Wichtigkeit journalistischer Qualität und stetiger Kontrolle derselben vor Augen. Als positives Beispiel nannte er unter anderem die Produktivitätssteigerung in Norddeutschland durch Nutzung von Synergieeffekten im Fall der «Welt» mit Normal- und Kompaktversion sowie der «Berliner Morgenpost»: Alle diese Blätter werden von einer einzigen Redaktion produziert. Auch die Überlebenskünstlerin «taz» ist für Russ-Mohl ein Vorbild: «Zeitungen müssen lernen, vom Journalismus zu leben. Die Zeiten, in denen sie sich zu weiten Teilen von der Werbeindustrie aushalten liessen, sind vorbei.»

Als weitere erfolreiche Konzepte führte er ziegruppengerechte Zeitungsproduktion, aber auch so genannte «Midcareer Programs» gegen Burnouts auf, welche es Journalisten ermöglichen, sich ein ganzes Jahr aus dem Redaktionsalltag auszuklinken und an der Universität Wissen nachzutanken.

Ausserdem zeigte Russ-Mohl die «Merkmale der erfolgreichen Zeitungen zu Beginn des dritten Jahrtausends» wie folgt auf: grosszügiges, «luftiges» Design, klare Struktur mit klar identifizierbaren Sektionen, Orientierungshilfen und vorsichtigem Umgang mit Kästen sowie ein ebenfalls klar strukturierter ausführlicher Lokalteil und deutliche «Community-Orientierung».

Zum Schluss identifizierte der Deutsche mit Wahlheimat Lugano zwei Punkte, die seiner Meinung eine gewichtige Mitschuld an der Krise im Medienmarkt tragen. Einerseits kritisierte er die Preispolitik von Zeitungen im Internet: «Warum offerieren die einen von Ihnen im Netz Inhalte zum Nulltarif, die sie in gedruckter Form verkaufen wollen? Kaum minder absurd erscheinen mir allerdings normale Abo-Preise im Internet.» Auf der anderen Seite sieht Russ-Mohl «hausgemachtes Kommunikations-Versagen» ebenfalls als grosses Problem: «Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb so viele von Ihnen ausgerechnet beim Medienjournalismus den Rotstift angesetzt haben - also bei der Berichterstattung über Medien und Journalismus.» Es sei wichtig, dass den Leserinnen und Lesern wieder bewusst würde, dass Information nicht zum Nulltarif zu haben sei, vor allem nicht «gründlich recherchierte und nach Kriterien journalistischer Professionalität verbreitete». Kurz: Wer Medienredaktionen wegrationalisiere, säge an dem Ast, auf dem er sitze. - Mehr zum VSP-Jahreskongress: VSP-Jahreskongress: Verleger sollen Publizisten werden, VSP-Jahreskongress: Weshalb die Printmedien verlieren und VSP-Jahreskongress: Wo wird in Zukunft Geld verdient?