Piratenüberfälle im Mittelmeer, neueste Nachrichten vom Papst, ein von Galileo Galilei erfundenes Fernglas: Meldungen zu diesen Themen füllten die weltweit erste Druckzeitung, die vor 400 Jahren in Strassburg gegründet wurde. An welchem Tag genau die Erstausgabe der «Relation aller fürnemmen und gedenckwürdigen Historien» gedruckt wurde, sei nicht bekannt, erläutert der Pressehistoriker und Kurator des Gutenberg-Museums in Mainz, Martin Welke. Laut einer Urkunde, die Welke und sein französischer Kollege Jean-Pierre Kintz im Strassburger Stadtarchiv aufgestöbert haben, dürfte die erste Ausgabe der «Relation» um die Jahresmitte 1605 erschienen sein.
Für Strassburg und Mainz ist dies gleichermassen Anlass, die Geburtsstunde der Printmedien zu feiern. Schliesslich ist das Ereignis indirekt auch dem Vater der Buchdruckerkunst Johannes Gutenberg zu verdanken, der um 1400 in Mainz geboren wurde und Mitte des 15. Jahrhunderts in Strassburg seine bahnbrechende Erfindung entwickelte. Die Elsass-Metropole beleuchtet in dieser Woche mit Vorträgen, Diskussionsveranstaltungen und Lesungen die Bedeutung der Presse, die über 300 Jahre lang das Nachrichtenmonopol hatte - bis zur Entwicklung des Rundfunks. In Mainz widmet das Gutenberg-Museum dem Jubiläum der Weltkulturgeschichte eine Ausstellung, die am 10. Juli unter dem Titel «400 Jahre Zeitung - ein Medium macht Geschichte» eröffnet wird.
Erst kam der Buchdruck, dann die schnelllebigere Presse: Als Vater der Zeitung wird Johann Carolus gewürdigt, Sohn eines Strassburger Pastors und gelernter Buchbinder. Er erkannte zu Beginn des 17. Jahrhunderts den Marktwert von Nachrichten und wurde so zum ersten Zeitungsverleger. Der Strassburger liess sich von Korrespondenten aus Städten entlang der grossen Post-Routen, etwa aus Köln, Wien, Prag, Venedig und Rom, jede Woche die neuesten «Avisen» (Nachrichten) schicken. Diese kopierte er zunächst per Hand und sandte sie an einige betuchte Mitbürger, die dafür eine Abonnementsgebühr zahlten. Das Interesse war gross - vor allem unter reichen Kaufleuten, die ihre Waren in verschiedene Länder exportierten und wissen wollten, was in Europa passierte. Daher beschloss Carolus, einen höheren Gang einzulegen: 1604 kaufte er von einem Strassburger Drucker drei Pressen, die er in seiner Wohnung installierte. In dieser «Truckerey» setzte er vermutlich Mitte 1605 die erste Druck-Ausgabe seiner Nachrichtenblätter.
Darauf lässt zumindest ein Protokoll des Strassburger Stadtrates vom Oktober 1605 schliessen: Darin ist die Rede von 12 Ausgaben der «Relation», und es wurde präzisiert, dass die Zeitung «Woche um Woche» erschien. «Damit dürfte die erste Nummer Mitte 1605 gedruckt worden sein», erläutert Welke. Die Zahl der Abonnenten sei vermutlich schnell angestiegen und habe sich auch nicht auf den Raum Strassburg beschränkt: «Für einige wenige Exemplare hätte sich die mühselige Setz-Arbeit an der Gutenberg-Presse nicht gelohnt.» Die älteste noch erhaltene Ausgabe der «Relation» wurde jedenfalls im Kloster Salem am Bodensee entdeckt, dessen Mönche zu den Abonnenten gehörten. Sie stammt aus dem Jahr 1609 und galt lange als erstes Presse-Druckerzeugnis - bis die Historiker Welke und Hintz vor 18 Jahren im Strassburger Archiv das fragliche Protokoll aufstöberten.
Mittwoch
08.06.2005