Eine schonungslose Abrechnung mit den Versäumnissen der Printmedienbranche in den vergangenen Jahrzehnten hat «Le-Matin»-Chefredaktor Peter Rothenbühler am Dienstag anlässlich der 9. Schweizerischen Mediaforschungstagung der Wemf AG für Werbemedienforschung von Stapel gelassen. Jetzt werde wieder ausgiebig gejammert und die Schuld an den schlechten Zahlen bei irgendwelchen anderen gesucht, prophezeite er, ohne dafür besondere Seherkräfte zu benötigen. Sein Referat hörte allerdings nicht auf dieser kritischen Note auf, sondern er präsentierte kurz und bündig, was zu tun wäre - der Konjunktiv ist wichtig -, um zu steigenden Leserschafts- und Auflagezahlen zu kommen. Mit langanhaltendem Applaus dankten die über 600 Anwesenden für die Kopfwäsche, die eigentlich die Zeitungsverleger hätten über sich ergehen lassen müssen, die ja ab morgen in Interlaken tagen.
Er sei allerdings froh, bekannte Peter Rothenbühler gleich eingangs, dass die Printmedien in der Krise seien, denn die Innovation komme nur unter Druck zustande. Bisher haben die Verantwortlichen der Printmedienbranche nach seiner Wahrnehmung nur immer Ausreden für ihr Nichtstun gesucht. «Wenn sich in der Zeitungslandschaft etwas Neues tut, rümpfen alle die Nase, verhöhnen jene, die etwas versuchen und warten ab, da es ja ohnehin nicht gut kommt», spottete er. Wer heute schlechte Wemf-Zahlen präsentiert erhalten habe, sei sicher, dass das Internet Schuld sei und die Jungen, die nicht lesen wollen. Dem hielt er den Erfolg der Gratiszeitung «20 Minuten» entgegen und den Umstand, dass sich selbst 10-Jährige durch 700 Harry-Potter-Seiten durchlesen - ohne Zwang, sondern weil sie wollen.
Daraus leitete Peter Rothenbühler die an sich banale, konkret aber schwierig umzusetzende Forderung ab, die Zeitungen müssten eben für die Leser gemacht werden. Also kurze Texte, Bilder, grafische Darstellungen, knappe Informationen und politische Neutralität. «Der wichtigste Faktor ist das Zeitbudget des Lesers und nicht die Überzeugung der Journalisten», plädierte er. «Wir sind in einem Zeit- und nicht in einem Papiermarkt.» Konkret schlug er auf die selbst gestellte Frage, wie man «Tages-Anzeiger» und «Neue Zürcher Zeitung» erfolgreicher machen könnte, vor, die jeweiligen Redaktionen der Sonntagsausgaben auf die Werktagszeitungen anzusetzen. «Warum erhalte ich nur am Sonntag eine attraktive Zeitung?», wollte er wissen Zum Schluss kündete er an, in Österreich werde nächstes Jahr ein Tagesmagazin auf Hochglanzpapier lanciert, von dem er sich einen neuen Innovationsschub verspreche - um dann den resigniert-zynischen Schlusssatz nachzuschieben: «Aber wir können ja getrost weiterschlafen, da sie sowieso ein Flop wird.» - Mehr dazu: «Mach Consumer ist wie ein Klavier» und Mach Basic 2005: «20 Minuten» ist der grosse Gewinner
Dienstag
13.09.2005