Es war nicht eben wenig Denkstoff, den die Publicitas an ihrer jährlichen Verlegertagung den 100 am Mittwoch nach Thun gereisten Fachkräften in den Printverlagen der Schweiz vorsetzte - unverdaulich war er beileibe nicht, aber zu kauen werden sie noch lange daran haben, wenn sie an Otfried Jarrens Forderungen an die Tageszeitung von morgen denken. Der empfahl schlicht, aus einer Zeitung deren drei zu machen. Warum? Weil eine allein es nicht mehr schaffen wird, alle Mitglieder einer dergestalt zersplitterten Gesellschaft zu bedienen. Ein Gratis-Pendlerblatt für die eiligen Leser, ein Kaufblatt mit hohem Serviceanteil und Lokalbezug sowie ein Eliteblatt, das die gesellschaftliche Debatte lanciert.
Anlass dazu, den Gedanken zu vertiefen, bot CS-Chefökonom Alois Bischofberger, der die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft auch von der demografischen Entwicklung abhängig sieht. Immer mehr ältere Menschen werden andere Bedürfnisse haben, die von derzeit oder bald boomenden Wirtschaftszweigen abgedeckt werden: Gesundheit, Informatik, Dienstleistung.
Zukunftsmusik ist das eine, die andere Musik spielt in der realen Jetztzeit, in der die Zeitungsverleger sich vor allem überlegen müssen, wie sie ihre Tarife neu gestalten wollen. Möglicherweise hilft ihnen dabei das von Publicitas-Marketingdirektor Rainer Sauser skizzierte «optimale Tarifmodell für den schweizerischen Inseratemarkt», das Anfang kommenden Jahres eingesetzt werden soll. Zeit dazu jedenfalls bekamen die Teilnehmer im Kongresshotel Seepark in Thun beim «Rindsfilet ganz gebraten mit Rotweinsauce, Kartoffelkroketten und Gemüsegarnitur», begleitet von einem Cornalin von Adrian Mathier aus Salgesch.
Ob sie danach den Ausführungen von Gerhard Schürmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Frey-Gruppe (Autos, nicht Printmedien) ein wenig sorgloser folgen konnten, der über die Marktveränderungen beim einstmals grossen Werbeauftraggeber sprach, bleibt dahingestellt - aufgerüttelt wurden sie spätestens von Peter Felser, CEO und Mitinhaber der Werbeagentur Spillmann/Felser/Leo Burnett, der die Verleger eindringlich mahnte, in Sachen Printwerbung wieder mit gutem Beispiel voranzugehen und sich vor allem die Partnerschaft der Kreativ-Agenturen zu sichern: Dort nämlich würde oft entschieden, ob eine gute Marke auch als Anzeige beworben werde. Und das wollen die Printverleger selbstredend auch bleiben: eine gute Marke.
Mittwoch
15.06.2005