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Sonntag
19.09.2004

Bundesrat Christoph Blocher hat wieder einmal übermarcht, Frank A. Meyer auch. Was am Freitagnachmittag am Jahreskongress der Verleger im Hotel Beau Rivage abging, hält selbst ein Machiavelli-Leser im Kopf nicht aus: So viele Heucheleien, so viele Bücklinge, so viele devote sinnverdrehte Worthülsen... Und dann die Nachlese in der Deutschschweizer Presse vom Samstag und Sonntag: Konzernjournalismus pur, auf allen Ebenen. Der normale (manchmal zahlende) Zeitungsleser muss einen sturmen Kopf bekommen ob all der verschiedenen Sichtweisen über den Kongress, was nichts, aber auch gar nichts mit Pluralismus, sondern schlicht nur mit Machtmissbrauch über die Infokanäle der jeweiligen Verleger zu tun hat.

Und da hatten wir Journalisten und Verleger zwei so tolle kommunikative Profis vorgesetzt bekommen, von denen wir, ja Achtung, noch etwas lernen können: Bundesrat Blocher, der unter anderem die Urweisheit und die Abhängigkeit aus «Wer zahlt, befiehlt» auf den Tisch legte, und Ober-Medienprofi Gerhard Schröder, der einstecken und kämpfen kann («Bin kein Opfer») und der nach dem Motto lebt: «Wem es in der Küche zu heiss ist, der darf nie Koch werden!».

Zu heiss geworden im Kopf ist es Frank A. Meyer ob all der politischen Machtfülle zwischen Marmor-Entrée und barockem Konferenzsaal des Luxushotels. Beim verspäteten Eintreffen des Kanzlers preschte Meyer wie von der Tarantel gestochen vor die Kameras, frei nach seiner aktuellen «SonntagsBlick»-Kolumne (Seite 18) «Das Bild ist die Botschaft». Das wiederholte Meyer später noch einmal, als er den Kanzler mit seinem auf fünf Minuten genau verplanten Zeitplan nach dessen und nach Blochers Rede zu Starkoch Philippe Rochat nach Crissier lockte. Vorher hatten die beiden Spitzenpolitiker aber noch ein bilaterales Arbeitsgespräch in einem kleinen Salon des Hotels (Wer zahlt, befiehlt, was in diesem Fall das Volk ist).

Beim verspäteten Abgang des Kanzlers aus dem Hotel nach 18 Uhr wiederholte Meyer vor den Kameras wild gesikulierend das ganze Brimborium noch einmal - musste er seine Bodyguards instruieren? Als Frau konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies ein Höhepunkt im Leben dieses Mannes war. Gönne ich ihm by the way. Lamunière hatte ja Penelope Cruz am Donnerstagabend bei der Lancierung seines neuen Magazins «Instyle» in Madrid getroffen, der er vielleicht die Hand halten durfte. Silvia Lepiarczyk, Leiterin Ringier Europa, konterte die soft-männlichen Huldigungen souverän: Der Osten biete ihr im Moment leider nur Karel Gott.

Für Schröders Jet war um 20 Uhr ein Takeoff eingeplant. Da aber in Lausanne nur Propellermaschinen landen können (was nicht nur Pierre Lamunière in einem Podiumsgespräch bedauerte, auch der Klein Report musste deshalb auf ein Luxusschulreisli mit der ganzen Mannschaft verzichten), musste der Kanzler also unglaublich früh noch vor dem Amusebouche von Rochat den schön gedeckten Tisch wieder verlassen. Wie heisst die Legende in der Ausgabe des «Blick» vom Samstag? «Kanzler Schröder beim Abendessen mit Verleger Michael Ringier und Ringier-Chefpublizist Frank A. Meyer.» Wir erinnern uns: In der bereits erwähnten «SonntagsBlick»-Kolumne heisst es in der Schelte gegen die FDP unter dem Titel. «Von vorgestern»... «Das Bild ist die Botschaft». Aber: Wo bleibt die Glaubwürdigkeit? fragt man sich. Sie steht auch «im Zeitalter der medial total vernetzten Gesellschaft» (SoBli-Kolumne) zuoberst. Ist das vergessen gegangen? Ist vergessen gegangen, dass Inhalt vor Form kommt?

PS. Mannä u Frouä, Gerhard Schröder ist ja nächsten Donnerstag schon wieder in der Schweiz, im Chreis Cheib. Da packen wir die Gelegenheit und machen alles besser. Schröder besucht dann die Vernissage seines Künstlerfreundes Schang Hutter in der Galerie Baviera. Danach soll es ins Restaurant Cooperativo zum Festschmaus gehen. Mal sehen, wie die Legendenbildung fortgeschrieben wird.