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Samstag
17.09.2005

Über «die Droge Politik» referierte an der Verleger-Tagung der «Spiegel»-Autor Jürgen Leinemann anhand seines kürzlich erschienenen Buchs «Höhenrausch». Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer pflege gelegentlich seinen Werdedgang vom Turnschuh tragenden Sponti zum Regierungsmitglied mit einem Aufstieg auf einen Achttausender zu vergleichen. Da sehe man dann die Konkurrenten erfroren auf 6000 und 7000 Metern Höhe liegen, wie er mit einer gewissen Genugtuung seine Anekdote zum besten gebe. Dies illustriert für Leinemann das Problem, warum viele Politiker richtiggehend süchtig nach Macht seien.

Er selber gab mit bemerkenswerter Offenheit zu, selbst jahrelang alkoholabhängig gewesen und heute noch auf anderen Gebieten suchtgefährdet zu sein. Politiker würden gerne mit medizinischen Ausdrücken aus dem Bereich der Sucht kokettieren, aber sich selbst und schon gar nicht ihrer Umgebung gegenüber zugeben, süchtig zu sein und von dieser Sucht nicht lassen zu können. «Nichts fürchten die Politiker so sehr, wie die eigene Schwäche zu zeigen, weil sie fürchten, die andern würden dies ausnützen», bemerkte Leinemann. Schliesslich stellte er die Süchte der Politiker in einen grösseren Zusammenhang, weil er «eine zunehmende Versüchtigung der Gesellschaft» feststellt. Sein langes, aber hochinteressantes Referat schloss er mit einem Schmunzelsatz: «Wahr ist, dass mir die Welt erst besoffen vorkommt, seit ich nicht mehr Alkohol trinke.»