Mit einer Viertelmillion Deutschen Mark und ihrem bekannten Namen («Der kleine Unterschied und die grossen Folgen») habe sie im Jahr 1977 die Zeitschrift «Emma» gegründet, erzählte die deutsche Feministin Alice Schwarzer am Freitag in Interlaken an der Verleger-Tagung. Und sie stellte mit Freude fest, dass das Heft noch immer existiere, wogegen zahlreiche andere Publikationen, die mit viel mehr Geld in den Markt gedrückt worden seien, längst verschwunden und vergessen seien. Ihre Erklärung dafür: das Engagement. «Es war immer klar, dass wir die Männerwelt attackieren wollten», rief sie den zahlreich dasitzenden Verlegern zu. Denn um ihre Themen veröffentlichen zu können, sei sie zur Unabhängigkeit gezwungen worden. «Emma» bezahle heute übertarifliche Gehälter, und lebe zu 90% vom Verkauf (ein Heft kostet 12.70 Franken), gab sie bekannt, weshalb sie von der aktuellen Werbeflaute sehr viel weniger betroffen sei. Und im übrigen habe «Emma» seit ihrem Beginn immer wieder Themen aufgegriffen, die in den übrigen Medien erst Jahre oder gar Jahrzehnte später aufgegriffen worden seien: sexueller Missbrauch, Pornografie und die Rolle des fundamentalistischen Islams.
In ihrem locker vorgetragenen Referat, das von den Anwesenden mit viel Gelächter und am Schluss mit einem lang anhaltenden Applaus verdankt wurde, spielte sie auch auf das von Jürgen Leinemann thematisierte Stichwort der Macht als Droge an und vertrat dezidiert die Meinung, Frauen seien dieser Gefahr weniger stark ausgesetzt. Erstens sei dies so, weil sie noch immer nicht ganz dazu gehören (obschon Deutschland das Wahlrecht der Frauen seit 1918 kennt), und zweitens würden Frauen eben ein anderes Leben führen. Zum grossen Amüsement der Kongress-Teilnehmenden befasste sie sich ausserdem mit den bevorstehenden Wahlen in Deutschland. Es sehe jetzt ja so aus, als ob ihr Land zum ersten Mal eine Frau an der Spitze der Regierung haben werde («eine Kanzler», formulierte sie es spitz), aber sie werde kaum alles anders und besser machen können als die Männer vorher. Alice Schwarzer kündete deshalb an, sich auch mit ihr kritisch befassen zu wollen (in der neuesten «Emma»-Ausgabe hat sie ein Porträt von ihr veröffentlicht). Allerdings werde sie auch weiterhin verantwortungsvoll und ethisch einwandfrei mit ihr umgehen wollen: «Es ist nicht so, dass Frauen nur immer in Konkurrenz zueinander stehen wollen», sagte sie zum Schluss.
Samstag
17.09.2005